Die Verpreußung vom Wirtshaus

Trauerspiel in 40 Akten

Vorhang

Die Verpreußung vom Wirtshaus
„Kommt es unter einen Hut? Ich glaube, ’s kommt eher unter eine Pickelhaube!“.
Karikatur aus dem österreichischen Satiremagazin Kikeriki, 22. August 1870 zur Reichsgründung.

Inhalt

Vorbemerkungen

Lieber schreibe ich über Positives, Erfreuliches, bin aber einer gscheiten Gaudi nicht abgeneigt, dummem Party Machen hingegen schon. Und das erlebt man bevorzugt an Samstagen in der Gastronomie der Münchner Innenstadt. Verursacher sind vor allem männliche, meist junge Gäste, die in Horden aus dem benachbarten Deutschland mit der Bahn und mit Billigflügen anreisen, wobei sich junge Damen ansatzweise ebenfalls bemühen.

Mitschuld tragen mit wenigen Ausnahmen Münchner Wirte, die nicht gegen Ballermann-Zustände vorgehen. Leidtragende sind Gäste aus München und dem Umland, die immer mehr auf Wirtshaus- und Biergartenbesuche verzichten müssen. Schwerpunktmäßig erfolgen die Missstände vom Viktualienmarkt, über das Tal, bis zum Platzl.

Das ist aber nur die Spitze eines ungeheuren Eisbergs, der in der Gastronomie wütet. Wirtshäuser verkaufen ihre bayerische Seele solange, bis niemand mehr hingeht – auch keine Touristen mehr, weil sie ja ursprüngliches, traditionelles Bayern erleben wollen. Die Verpreußung ist dagegen eine fragwürdige Weiterentwicklung.

In diesem Beitrag wird Bayern nicht als Teil von Deutschland oder als Bundesland gesehen, sondern als eigener Staat. Rechtlich ist das zutreffend, wird aber leider von der CSU nicht umgesetzt. Nach der YouGov-Umfrage von 2017 befürworten 32 Prozent der bayerischen Bevölkerung die Eigenstaatlichkeit. Dabei geht es nicht um bayerischen Nationalismus, jedoch um regionale Identität, die in ganz Europa wächst. Unser Grundsatz heißt:

Wir sind Bayern und keine Deutschen

Der Einfachheit halber wird hier für Deutschland ohne Bayern der Begriff Preußen verwendet. Dies erfolgt im Bewusstsein, dass es nicht umfassend zutrifft. Eine derartige Gegensätzlichkeit wird aber von vielen Menschen empfunden und ist nicht zwingend scherzhaft oder abwertend gemeint.

Ein Beispiel für die Verpreußung ist das sogenannte Gendern. Entsprechende Formen werden hier nicht verwendet. Bei Benennungen von Personen sind also weibliche und männliche gemeint. Sprache und Lesefluss dürfen nicht wegen Damen, die sich als nicht gebührend berücksichtigt ansehen, gestört werden.

Motivation

Meinen Erfahrungshintergrund bilden seit fast 50 Jahren mindestens dreimal wöchentliche Wirtshausbesuche in München. Aus den Wirtshäusern in den 1970er Jahren, die bevorzugt von Studenten besucht worden waren, wurden etablierte Betriebe mit gutem Speisenangebot. Kochen im Single-Haushalt hat mich nie interessiert, weil es zu aufwendig und unrentabel ist. Heute könnte man sich in einer Münchner Wohnung täglich mit Speisen und Getränken von Lieferdiensten versorgen lassen, trotzdem bevorzuge ich Wirtshäuser als Orte der Begegnung und des Gesprächs.

Bin ich wieder in der Wohnung, bestehen weiterhin Mitteilungsbedürfnisse, aus denen nach dem Ende beruflicher Pflichten 2011 mein Internetangebot entstanden ist. Anfänglich drückte ich mich nur mit Fotos aus, dann wurden mir Texte zunehmend wichtig. Mein Schreiben erfüllt vergleichbare Funktionen wie Gespräche in Beziehungen. Ich teile etwas mit, das mir in besonderer Weise positiv oder negativ auffällt. Manchmal ist es mir eine Freude, aber gelegentlich auch eine Entlastung von Problemen. Insgesamt dürfen Heiterkeit und Humor nicht fehlen.

So ein Thema wie die Verpreußung fällt vielen Menschen gar nicht auf, weil ihre Wahrnehmung auf anderes zielt. Wirtshäuser und Personen, gegen die sich meine Kritik richtet, könnten darauf hinweisen:

„Was geht denn das den an?“
„Der braucht ja bloß nicht herzukommen oder hinzugehen.“

Das würde aber unnatürlichen Stillstand bedeuten. Leben bedeutet Bewegung und Weiterentwicklung, wobei Verpreußung als problematisch, nachteilig und abwertend anzusehen ist. Diese Erkenntnis motiviert mich für den vorliegenden Beitrag.

Ungeheuer

Im bayerischen Wirtshausmeer verbirgt sich ein Ungeheuer, das gefährlicher ist als das Wirtshaussterben. Oft ist das Scheusal auf den ersten Blick nicht gleich zu erkennen. Schaut man aber genau hin, wütet das Untier schon seit geraumer Zeit und richtet immer größeren Schaden an. Für mich ist das ein wichtiger Grund, dagegen vorzugehen.

Preußischer Militarismus, Nationalismus und Imperialismus waren nicht nur mitverantwortlich für zwei Weltkriege, sondern versuchen auch in der Gegenwart sprachliche und kulturelle Gleichmacherei, die vor nichts zurückschreckt – sogar nicht vor dem bayrischen Kulturgut Wirtshaus.

Bayern wird als Bundesland angesehen, obwohl es ein über zwölfhundertjähriger Staat ist und schon ein Königreich war. Aus der Hauptstadt des Freistaats Bayerns haben die Preußen eine Landeshauptstadt gemacht und fallen in regelmäßigen Abständen und Horden über diese her.

Beispiele sind Junggesellenabschiede, Sauftouristen, Fußballfans und auffällige Gruppen mit Männchen oder Weibchen. Zu bevorzugten Zielen verkommen meist an Samstagen Viktualienmarkt, Wirtshäuser und Wirtsgärten der Altstadt, besonders das Hofbräuhaus. Statt diese feindlichen Übergriffe mit einer Gebirgsschützenkompanie abzuwehren, freuen sich die notleidenden Innenstadtwirte über Konsum und Umsatz. Noch schlimmer: Sie richten sich sogar darauf ein und bieten Stehtische und Junkfood an.

Das Schreckgespenst sucht gastfreundliche, gemütliche Münchner und Bayern heim. Es heißt Verpreußung. Leider treffen die feindlichen Übergriffe kaum auf Widerstand. Einheimische ziehen sich lieber zurück und meiden die Innenstadt. Wirte reiben sich die Hände, freuen sich über ihren fetten Geldbeutel und passen sich an.

Untergang

In der Münchner Altstadtgastronomie gibt es kein Wirtshaussterben. Das Angebot wächst, leider in Richtungen, die sich nicht an Münchner, sondern an Touristen wenden. Diese kommen unter anderem wegen der Wirtshauskultur, richten sie aber damit zugrunde. Qualität beim Essen gibt es nur mehr mit hohen Preisen. Der Anpassungsdruck geht in Richtung Systemgastronomie. Bayerische und Münchner Originalität, Qualität und Tradition sind längst verloren gegangen. Die Verpreußung hat ihre Ziele in großen Teilen schon erreicht.

Niemand ist schuldig oder kann etwas dafür. Man wollte ja nur das Beste für alle – sogar einige Brauereien mit ihrem heute geschmacklosen Industriebier und dem geraubten Immobilienbesitz. In der Vergangenheit bekamen nämlich Wirte solange Kredit und Bierlieferungen, bis ihnen die Immobilie gehörte.

Verpreußung

Mit dem Begriff Verpreußung war ursprünglich der Einfluss Preußens auf das Deutsche Reich nach 1871 gemeint. Dieser betraf sämtliche Lebensbereiche und zeigt sich heute noch häufig und vielfältig, z. B. im sprachlichen Bereich. So ist meine schriftsprachliche Ersetzung des Genitivs in der Überschrift durch „von + Dativ“ im Deutschen ein stilistischer Fehler, weil der Genitiv im Singular möglich ist. Im Bairischen gibt es aber keinen Genitiv. Er wird mit der Präposition „vo“ oder „von“ und dem Dativ gebildet. Somit verwende ich „vom Wirtshaus“. Das klingt doch herrlich heimatlich und mit Protest nach falschem Deutsch.

Kennzeichen der Verpreußung sind nicht nur hohe preußischer Gästeanteile, sondern auch fragwürdige Weiterentwicklungen, die beherrschen und vereinheitlichen, nicht dienen und individualisieren. Insgesamt meint Verpreußung heutzutage die Entfremdung von der bayerischen Volksseele, von der bairischen Sprache und von der Liberalitas Bavariae mit dem Grundsatz: Leben und Leben lassen. Bayerische Weltoffenheit, Toleranz und Großherzigkeit dürfen jedoch nicht als Einladung zur Verpreußung vom Wirtshaus verstanden werden.

Wirtshäuser

Die Verpreußung hat vor nichts haltgemacht und wirkt bis in die Gegenwart – vor allem in München, aber auch in ganz Altbayern. Ein letztes Bollwerk wankt und droht einzustürzen: Das Wirtshaus mit der bayrischen Wirtshauskultur. Genaugenommen geht es hier um das altbayerische Wirtshaus, wobei das Stammesgebiet der Bajuwaren mit den Landesteilen Niederbayern, Oberbayern und Oberpfalz gemeint ist. Hier berichtet werden persönliche Erfahrungen, Mitteilungen aus meinem Umfeld und Erkenntnisse aus dem Internet.

Beispielsweise hatten sich einige Wirtshäuser zur tschüssfreien Zone erklärt – so auch die Gotzinger Trommel mit dem fragwürdigen Erfolg, dass besonders viele Preußen gekommen sind. Oft werden Versuche, sich gegen die Verpreußung zu wehren, als übertriebene Bayerntümelei oder Ewiggestrigkeit bewertet. Mein Beitrag muss aber leider ernst genommen werden. Verpreußung ist ein Missstand in nahezu allen Lebensbereichen, wobei hier nur Wirtshäuser gemeint sind.

Die Verpreußung vom Wirtshaus betrifft natürlich nicht ganz Bayern, sondern vorwiegend Wirtshäuser, die weniger von Einheimischen, sondern von Touristen besucht werden. In München ist das die Innenstadtgastronomie, die meinen Erfahrungshintergrund bildet. Wirtshäuser in den Vorstädten, in der Umgebung und auf dem Land haben andere Bedingungen und Probleme, die in diesem Beitrag kaum berücksichtigt werden.

Sinnverwandte Wörter zum Wirtshaus sind beispielsweise Gasthaus, Gaststätte, Gasthof, und Gastwirtschaft, wobei Gaststätte der Oberbegriff auch in der Rechtssprache ist. Restaurants sind gehobene Gaststätten, die vom Wort her auf das Französische und Lateinische zurückgehen. Ein altbayerischer Gastronomiebetrieb, der Speisen und Getränke zum sofortigen Verzehr anbietet, wird üblicherweise Wirtshaus genannt. Eine Schankwirtschaft heißt in Altbayern nicht Kneipe, sondern Boazn,

Gründe

Selbstverständlich sind Betreiber von Wirtshäusern keine barmherzigen Brüder und Schwestern. Sie wollen berechtigterweise Geld verdienen – und zwar möglichst viel davon. Das erfolgt, indem versucht wird, es vielen Gästen recht zu machen, z. B. Einheimischen, Touristen, allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten.

Mit anderen Worten: Die bayerische Wirtshauskultur wird so stark angepasst bis auch der letzte Preuße zufrieden ist. Was am Ende dabei herauskommt ist dann nicht mehr typisch für Bayern, sondern glattgebügelt für die ganze Welt.

Touristen wollen das aber gar nicht. Sie wünschen sich ein traditionelles Bayern. Sogar Preußen kommen, weil es in Bayern noch Tradition, Brauchtum, Ursprünglichkeit und Schönheit gibt. Wenn sie Bayern ausreichend verpreußt haben, werden sie sich ärgern, ausbleiben und versuchen, andere Staaten mit Klößen statt Knödeln zu zerstören.

Einige internationale Touristen wollen nicht auf eigene Ernährungsgewohnheiten verzichten. Es soll schon vorgekommen sein, dass sich Touristen einen Pizzalieferdienst ins Hofbräuhaus bestellt haben, weil sie nicht ohne die meist tiefgefrorenen Belegscheiben leben können. Ich habe es selbst erlebt, wie Preißn im Franziskaner Leberkas mit Sauerkraut verzehrt haben. Eine besondere Gaudi ist es natürlich, wenn sich chinesische Preißn im Hofbräuhaus einen Löffel zu Weißwürsten bestellen, weil ihnen vorher erklärt worden ist, dass die Weißwurstsuppe besonders wohlschmeckend sei.

Preußen

Die Benennungen Preiß, Preuß, Breiß oder mit Doppel-S treffen in Altbayern nicht nur auf die Nachfahren der Bewohner des ehemaligen Königreichs Preußen 1918 und des Freistaats Preußen bis 1947 zu. Darüber hinaus sind viele Personen mit einem unüblichen Verhalten gemeint.

Bekannt ist die Standlfrau auf dem Münchner Viktualienmarkt mit ihrem „Saupreiß, japanischer“, nachdem ein fernöstlicher Kunde nichts gekauft, aber ihr Obst mit den Händen begutachtet hatte.

An diesem Beispiel zeigt sich die Steigerungsform mit einem abwertenden, beschimpfenden Tiernamen. Andere unangemessene Verhaltensweisen sind Rechthaberei, Überheblichkeit und Machtansprüche. Es wird ausgedrückt, dass man Preiß nicht nur durch Geburt und Verhalten wird, sondern durch Zuweisungen von Bayern.

Menschen, die als Preißn bezeichnet werden müssen, gibt es nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – vor allem natürlich als Zugezogene oder Gäste in Bayern. Einigen Teile des Freistaats wird eine größere Nähe zu Preußen nachgesagt als den Altbayern. Bedauerlicherweise ist sogar die Staatsregierung von solchen Personen durchsetzt, die zudem nicht vom Volk gewählt werden.

Früher gab es den Gegensatz zwischen Bayern und Preußen, heute müsste es auch zwischen Bayern und Deutschen heißen. Vielen internationalen Gästen ist nicht bewusst, dass sie sich hierzulande nicht in Deutschland, sondern in Bayern aufhalten. Dabei kann man doch deutlich sehen:

Bayern ist viel zu schön für Deutschland

Außerdem zeigt sich Deutschland nur als ein unnatürliches, unzeitgemäßes und zusammengewürfeltes staatsbürgerliches Gebilde. Bayern hat dagegen eine traditionsreiche Eigenstaatlichkeit, wird jedoch mit wenigen Ausnahmen seit 1871 ausgebeutet, fremdbestimmt und unterdrückt. Das verstärkt die bayerische Gleichstellung von Deutschen mit dem abwertend gemeinten Begriff Preußen.

Hierzu behilft man sich in Österreich und Südtirol mit der Bezeichnung Piefke. Entscheidend für den vorliegenden Beitrag ist hingegen nicht die Stammeszugehörigkeit, sondern die Kulturtradition des Gemeinschaftslebens mit dem Wirtshaus.

Personal

Bei Wirtsleut, die ihr gastronomisches Angebot Wirtshaus nennen, handelt es sich wahrscheinlich um Bayern. Es ist aber schwierig den Personenkreis zu bestimmen, der zu den Bayern oder den Münchnern gehört. Dabei spielen Geburtsort, Heimatregion, natürliche Sprache, Lebensgefühl und Freiheit der Zugehörigkeit eine Rolle. Für mich können alle Personen Bayern sein oder werden, wenn sie sich anpassen – auch Preußen.

Bayerische Wirtsleut sind aber vorrangig anwesende und mitarbeitende Gastgeber, nicht Betriebswirte oder Scheinwirte, die sich wie Gäste verhalten. Versuche, Gästen nicht zu dienen, sondern über sie zu bestimmen und sie auszunehmen, gehören nicht in ein bayerisches Wirtshaus.

Personal in der Gastronomie unterscheidet sich nach den Orten der Angebote. Einheimische trifft man beispielsweise eher in ländlichen Regionen, in München nur selten. Hier arbeitet internationales Personal vorwiegend aus Ost- und Südeuropa.

Die Verpreußung beim Personal bezieht sich aber nicht nur auf die Herkunft, sondern auch auf einzelne Verhaltensweisen oder die Gesamtheit derselben. Hierbei gibt es sehr viele Möglichkeiten, die in Richtungen des Herrschaftsanspruchs und der Habgier gehen. Erfahrungen hierzu möchte ich nicht näher ausführen, weil sie in großer Fülle bei gemütlichen und geselligen bayerischen und sogar preußischen Gästen bekannt sind.

Durch die Coronapandemie ist Gastronomiepersonal vielfach in andere Bereiche abgewandert, so dass Wirte stark über Personalmangel klagen. Dafür besteht aber wenig Verständnis, weil man ja nur der Leistung angemessene Löhne, sinnvolle Umsatzbeteiligungen und einvernehmliche Arbeitszeiten vereinbaren müsste.

Sprache

Preußen versuchen in Vergangenheit und Gegenwart den Bayern ein Standarddeutsch mit norddeutschen, statt südlichen Elementen aufzuzwingen, z. B. Nordizismen, Anglizismen, Fremdwörter und scheinmoderne Neubildungen wie Tanke, Schalte, Halte. Besonders scheußlich für bayerische Ohrwaschl sind Denke und Schreibe.

Die Duden-Preißn verleugnen die bairische Sprache und sogar den mittelbayerischen Dialekt. Entsprechende Wörter werden als süddeutsch, österreichisch, umgangssprachlich veraltend oder veraltet gekennzeichnet. Bayern wird praktisch eingedeutscht. Österreich erkennt man die Eigenständigkeit zu, obwohl es jünger als viele bayerische Wörter ist und dort weitgehend mittelbairisch gesprochen wird.

Norddeutsche Medien überfluten Nachbarn mit einer verschlampten Sprache in Aussprache, Wörtern und Grammatik. Gegen dieses ständig steigende Hochwasser versuche ich in meinem Internetangebot, einen südlichen Schreibstandard mit mittelbairischen und umgebenden Varianten der bairischen Sprache zu verwenden.

Beispiel grüßen

Gerne grüße ich bei einer Begegnung im Wirtshaus oder auf der Straße mit „Grüß Gott“, wenn mir eine Person bekannt oder nur vom Sehen bekannt ist. Bei näherem Kennen kommt ohne Nachzudenken ein Servus über meine Lippen. Grüßt mich aber eine außerbayerische, mir nicht näher bekannte Person mit diesem Wort, halte ich das für unpassend.

Noch schlimmer ist es, wenn mich ein lederbehoster, mir unbekannter Jungkellner mit Servus in einem neuen, scheinmodernen Wirtshaus begrüßt. Schließlich soll er höflich dienen und keine spezlhafte Anrede verwenden. Ich entgegne, KVR-Kontrolleur zu sein und Duzen als Beleidigung anzusehen. Sofort zeigen sich natürliche oder erlernte Höflichkeit und Respekt. Die künstlich aufgesetzte und falsch verstandene Lockerheit verschwindet. Bei gutem Essen und Trinken sowie wiederholten Besuchen kann man sich selbstverständlich sprachlich annähern.

Gäste grüßen im altbayerischen Wirtshaus andere Gäste an Nachbartischen, das Personal und die Wirtsleut. Sind dabei weitere Personen im Gastraum oder Wirtsgarten nur vom Sehen durch mehrere Besuche bekannt, wird ebenfalls fleißig gegrüßt. Wirte, Personal und Gäste, die im Wirtshaus nicht grüßen, stehen zumindest im Anfangsverdacht, Preußen zu sein.

Wer sich an den langen Wirtshaustischen ohne Grüße und ohne Fragen dazusetzen will, ist mit Sicherheit ein Saupreiß. Erkennt man eine solche Absicht, wird auf das spätere Kommen von mindestens drei Metzgern oder die Auskunft verwiesen, dass dies ein Stammtisch sei. Der Grad an Grobheit kann dabei mit Lautstärke und ausladenden, abweisenden Gesten variiert werden.

Bei Begrüßung, Verabschiedung oder Bestätigung sind bevorzugt natürliche Gesten im Wirtshaus zu verwenden. Angebotenes High five oder Abklatschen und die sogenannte Ghettofaust nehme ich auch in Coronazeiten nicht an. Ein virusbegründeter Verzicht auf das Händeschütteln ist mir lieber als ein unbayerisches Begrüßungsritual mit Ellenbogen oder Fäusten. Die Wörter Hallo und Tschüss gelten in Altbayern als Unwörter und als Ausdruck der Verpreußung. Außerdem wird man bei Tschüss oder Tschiss immer an etwas Ausgeschiedenes erinnert.

Beispiel lecker

Das Park Café bezeichnet sich seit 2007 als eines der schönsten Wirtshäuser und Biergärten Münchens, als innovatives und zugleich gemütlich traditionelles Wirtshaus. Man bietet Wirtshaus-Schmankerl an und hat 2020 den Kochbuchtitel „Laut und lecker“ veröffentlicht.

Ich habe das Buch nicht gelesen, halte es aber wegen des Titels für das dümmste Kochbuch in München und Altbayern. Lecker gilt hier als Unwort, und laut muss ein Gericht schon gar nicht sein. Zu bayerischer Lebensart beim Essen gehören Gemütlichkeit und Wohlgeschmack. Trotzdem empfehle ich das Werk, damit die letzten Zugezogenen kapieren, dass es bei diesem Betrieb und Kochbuch nicht um etwas Münchnerisches oder Bayerisches geht. Wenn so ein Restaurant laut Eigenlob Kult sein soll, dann bin ich lieber unkultiviert.

Viele sogenannte Wirtshäuser braucht man gar nicht besuchen, die Verpreußung ist bereits auf ihren Internetseiten wahrzunehmen. Dort war beim Park Café auch schon „saulecker“ zu lesen. Ich kann nichts dafür, wenn ich dabei an einen Saustall in der Küche denken muss.

Speisekarten

Eine große technische Errungenschaft sind die Speisekarten von Wirtshäusern im Internet. Was da an Verpreußung zu lesen ist, geht auf keine Kuhhaut. Wegen des großen Ausmaßes der Verfehlungen befasse ich mich hier nicht näher damit, sondern biete nur einen Überblick zu den Verbrechen am heimatlichen Sprach- und Kulturgut an, z. B. übertrieben lobende Eigenschaftswörter, Scheinmodernismen, Nordizismen, Anglizismen, neudeutsche Übertreibungen, Pseudodialekt, Deppenapostrophe.

Einen Höhepunkt der Unmöglichkeiten und Verpreußung stellte für vier Wochen die Gschlamperte Hoiwe vom Donisl im Sinne einer 0,4er-Preißn-Hoibe dar. Aufgrund meines kritischen Beitrags erfolgte die Veränderung der Speisekarte. Heute gibt es an derselben Stelle einen 0,35er-Schnitt mit einer Preissenkung, aber mit dieser weiterhin abwertenden Benennung.

Auf Speisekarten weit verbreitet ist der Schweinebraten. Meist frage ich: „Vo wiavui Säu isn da Schweinsbratn?“ Das wird jedoch vom oft eingewanderten Personal nicht verstanden. Ich übersetze: „Wie viele Schweine sind im Braten verarbeitet worden?“ Gscheite Wirtsleut würden solche falschen Benennungen verhindern und hätten natürlich auch einen Bildungsauftrag für das Personal.

Die folgenden Wörter haben auf Speiskarten in altbayerischen Wirtshäusern nichts verloren: Brötchen, Eisbein, Fleischkäse, Frikadellen, gekocht, gepökelt, Hähnchen, Kartoffeln, Kartoffelpuffer, (untere) Keule, Kloß, Klößchen, Kohl, Kohlrouladen, Kopfsalat, Lauch, Meerrettich, Möhren, Karotten, Ochsenbäckchen, Pfann- oder Eierkuchen, Pfifferlinge, Pilze, Quark, Rettich, Rosinen, Rote Beete, Rotkohl, Rouladen, Sahne, Schweinebauch, Schweinebraten, Spätzle, Spiegelei, Sülze, Wels.

Lobenswerterweise steuert die Initiative des Fördervereins Bairische Sprache und Dialekte e.V. mit dem Sprachführer für Wirtsleut gegen die Verpreußung: Bairisch à la Carte. Das Faltblatt kann zum Verteilen in gedruckter Form bestellt werden. Die vorangegangene und nachfolgende Sammlung ist diesem Faltblatt entnommen, hier aber nur alphabetisch angeordnet, nicht zugeordnet und nicht gegliedert.

Dort liest man die in Altbayern richtigen Wörter:

Blaukraut, Erdäpfel, Fleischpflanzl, Gelbe Rüben, gesotten, gesurt, grüner Salat, Haxe(erl), Hendl (Giggerl), Knödel, Kraut, Krautwickerl, Kren, Leberkäs, Nockerl, Ochsenaugen, Ochsenbackerl, Pfannenkuchen, Porree, Radi, Rahm, Reherl (Eierschwammerl), Reiberdatschi, Rote Rüben (Rahnen), Schwammerl, Schweinsbraten, Semmel, Weckerl, Spatzen, Spatzl, Sulz, Surhaxe, Topfen (Oberbayern), Waller, Wammerl, Weinbeeren, Wickerl.

Bezeichnenderweise ergeben sich bei der Rechtschreibprüfung in der Preißn-Sammlung keine roten Markierungen, dafür etliche in der Bayern-Sammlung. Damit beweist die Textverarbeitung, wer den Duden bestimmt und den Bayern eine falsche Hochsprache aufzwingen will. Wenn das keine Verpreußung ist! Preußen wollen uns die natürliche Sprache wegnehmen. Gegenwärtige Politik lässt das zu, aber hier geht’s um Wirtshäuser.

Speisen und Getränke

Nicht nur die Speisekarten sind verpreußt, sondern sogar die Speisen selbst. Dies erfolgt in der Auswahl von angebotenen Speisen und in der Herstellung.

Beispiel Hofbräuhaus: Speisen werden auswärts vorgefertigt und konserviert, dann angeliefert und vor Ort aufgewärmt und dekoriert. Die Küche befindet sich in einem Lebensmittelzentrum des Gewerbegebiets Brunnthal. Am Platzl wird nur aufgetaut, aufgewärmt, aufgewellt und dekoriert. Dazu braucht man keine fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, so dass bei Bedarf auch die Reinigungskräfte einer Zeitarbeitsfirma einsetzbar sind. Im Hofbräuhaus nennt sich das Ganze dann „hausgemacht“.

Billigschnitzel aus Formfleisch am Viktualienmarkt wurden schon erwähnt. Im benachbarten Bratwurstherzl des Dreifaltigkeitsplatzes gibt es schmackhafte Würstl und als besondere Spezialität Kartoffelsalat aus dem Eimer. Das Industrieprodukt ist personal- und kostensparend. Über den Geschmack lässt sich dagegen streiten.

Lebensmitteltechnik hat aus frischen, regionalen, saisonalen, natürlichen und vor Ort zubereiteten Speisen Industrieprodukte mit Einheitsgeschmack gemacht. Früher waren das wohlschmeckende Handwerksprodukte ohne Vorfertigung, Konservierung und Anlieferung.

Die Liste der verpreußten Schandtaten in Münchner Wirtshäusern ist lang. Modisch aktuell werden bayerische Speisen als Tapas serviert, die eigentlich in spanischen Bars und Bodegas angeboten und dort im Stehen verzehrt werden. Mit bayerischer Wirtshauskultur hat das nichts zu tun. Kleine Portionen hat es immer schon gegeben und müssen nicht neu erfunden werden – ebenso der gegenwärtige Trend zu fleischlosen Speiseangeboten.

Einige Gerichte sind in Mode gekommen, bedürfen leider Handwerksleistungen und haben den Charakter von Übertreibungen, die vor allem bei wohlhabenden, junggebliebenen Gästen beliebt sind, z. B. das Tomahawk-Steak.

Befindet sich dieses auf der Speisekarte, kann man sicher sein, dass beispielsweise auch Hugo, Prosecco und Spritzgetränke angeboten werden. Der Donisl wirbt sogar mit einer für München typischen Wein- und Ginbar, wo doch weltweit bekannt ist:

„Paris ist eine Frau, München ist Bier“

Leberkasskandale

Die ärmste Sau im Speisenangebot von Wirtshäusern und Biergärten ist der Leberkas oder besser gesagt die Verpreußung desselben. Er ist nämlich vom wohlschmeckenden Handwerksprodukt zum billigen Industrieprodukt mit einheitlicher Geschmacklosigkeit verkommen

Sprachliche Verpreußung hat aus der guten alten Leberkassemmel ein Fleischkäse-Brötchen gemacht, das wie so viele Wurst- und Backwaren nicht mehr schmeckt. Wegen der Schwere der Taten habe ich bislang vier Tivoligeschichten formuliert, zu deren Ungeheuerlichkeit derzeit nichts hinzuzufügen ist:

Verburgerung

Verburgerung, Verbörgerung oder Verblödung ist ein Synonym für Verpreußung im Wirtshaus. Sie entwickelte sich in Verbindung mit der Systemgastronomie. Angefangen hat der Schmarrn mit sogenannten McDonald’s Restaurants. Dann kamen andere Firmen hinzu. Mittlerweile findet sich der Burger auf vielen Speisekarten altbayerischer Wirtshäuser. Verloren gegangen, ist das gute alte Fleischpflanzl.

Es ist zwar keine Pflanze, aber eine wohlschmeckende bayerische Spezialität mit anderen etymologischen Wurzeln. Leider hatte diese den Nachteil, dass man sie haltbar machen konnte, obwohl sie im frischen, hausgemachten Zustand eine aufwendig zuzubereitende Speise ist. Im konservierten Zustand hat der Burger einen Einheitsgeschmack, der einer Verpreußung gleicht.

Ein Original-Fleischpflanzl braucht keine Bratensauce und schon gar keine zwei Semmelhälften. Das sind die Kunststoffteile, zwischen denen sich der Burger befindet. Der Wohlgeschmack des Pflanzerls ist durch die Frische der Zutaten gegeben. Und außerdem kann es problemfrei mit Messer und Gabel verzehrt werden.

Bei einem Burger möglichst mit Deutschlandfahne-Zahnstocher kann man sich mit Besteck leicht Finger und Gesicht verletzen sowie ohne Werkzeuge zusätzlich Gesicht und Kleidung beschmutzen. Niemand weiß eigentlich genau, wie man die Ungetüme essen soll. Das macht sie scheinbar so spannend und vor allem bei der Jugend beliebt. Ein Verzehr ohne Schaden gehört zu den Heldentaten des 21. Jahrhunderts.

Gottseidank befindet sich die Verburgerung in den Wirtshäusern auf dem Rückzug, weil die Anzahl der Opfer zu groß geworden ist. Hochburg war das, der Münchner Wirtshaustradition nur scheinbar verpflichtete, sogenannte Bräuhaus Tegernseer Tal.

Flins

Verburgering ist ein kulinarischer und sprachlicher Missstand, für dessen Verhinderung der schon erwähnte Förderverein eintritt. Eine weitere Organisation darf nicht unerwähnt bleiben: Der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur e. V. (VEBWK). Dabei geht es nicht vorrangig um die Interessen der Gäste, sondern eher um die durchaus legitimen wirtschaftlichen Geschäftsinteressen der Gastgeber – also ums Geld, welches in der bairischen Sprache auch Flins genannt wird.

Wer jetzt einwendet, vorrangiges Vereinsziel sei Kultur, hat selbstverständlich Recht. Kultur braucht jedoch Geld. Nach eigener Aussage ist dieser auch für Gäste unterstützenswerte Verein „zum einen politischer Interessenvertreter für die Gastronomie, pflegt aber vor allem auch den Dialog zwischen Gästen, Wirtshausfreunden und Wirten“.

Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA Bayern e.V. versteht sich dagegen als Ableger eines Bundesverbands mit Sitz in Berlin. Das sagt eigentlich alles und natürlich auch, warum ich mich hier nicht näher damit befassen möchte. Da müsste ich ja gleich über die Politik zweier souveräner Staaten schreiben, wobei sich einer noch von der CSU knechten lässt.

Ein Wirtshaus muss sich rechnen. Traditionellerweise ist es ein Handwerksbetrieb im Spielfeld zwischen Großzügigkeit und Sparsamkeit. Langfristig rächen sich alle Versuche von Übertreibungen, z. B. Rationalisierung, Fließbandherstellung, Vor- und Massenfertigung, Preistreiberei, Einsparungen, Anzahl von Veranstaltungen, Scheinmodernität, Gästelenkung und Gästeauswahl.

Internetangebote

Mittlerweile gehört der eigene Internetauftritt zu den Pflichten eines jeden Wirtshauses. Mit wenig Ausnahmen werden die Seiten von Agenturen gestaltet, die sich ihre Arbeiten teuer und regelmäßig bezahlen lassen. Das macht Wirtsleut mit Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit von Webdesignern abhängig, wobei Facebook wegen der einfachen Bedienbarkeit eine Ausnahme bildet.

Werbebranche und Webdesign sprechen aber eine eigene Sprache, die sich nur wenig mit der Bairischen Sprache und den Wirtshaustraditionen verträgt. Da wimmelt es von Anglizismen, Fachbegriffen, Nordizismen, Modewörtern, Pseudodialekt. Man geht nicht mehr zu einer Veranstaltung in ein Wirtshaus, sondern zu einem Event in einer Location.

Ein Wirtshaus soll modern, kultig, urig, schräg, cool oder geil sein – möglichst in der Wortzusammensetzung mit super, mega oder sau. Die Begründung ist, dass ein traditionelles Wirtshaus modern interpretiert werden soll. Wirtshäuser verkommen zu Speisegaststätten, Speisemanufakturen, Restaurants oder gar Foodlocations und Foodplaces, die bei Facebook zu abonnieren sind.

Die Vielfalt inhaltlicher Internetbeiträge von Wirtshausseiten kennt keine Grenzen – ebenso die gestalterischen Möglichkeiten. Sinnvolle Angebote wie Öffnungszeiten, Veranstaltungshinweise, Anfahrts- und Kontaktmöglichkeiten, aktuelle und langfristige Speisekarte befinden sich natürlich auch auf einer sogenannten Homepage, die mit dem bekannten F-Logo zu Facebook verlinkt ist. Ein eigener Blog wird meist nicht angeboten, weil er zu arbeits- und kenntnisintensiv wäre.

Facebook

Ziele der Internetaktivitäten sind die Steigerung der Kundenbindung und vor allem Reservierungen. Interessehalber habe ich viele Münchner Wirtshäuser abonniert und verfolge die Entwicklung seit Jahren. Anfänglich waren es nur einzelne Wirtshäuser mit wenigen, meist sinnvollen Beiträgen. Mittlerweile sind es alle mit allem, was möglich und sogar unmöglich ist.

Wer nicht täglich im Newsfeed bei Facebook zu lesen ist, hat vermutlich Angst, nicht mehr besucht zu werden. Und wenn nur mitgeteilt wird, dass sich das Wetter heute gut für einen Wirtshaus- oder Biergartenbesuch eignet. Mit einem Fensterblick und nur ein bisschen Hirn, wäre dieselbe Feststellung ohne Facebook möglich. Vergleichbares gilt für Wünsche zu Feiertagen. Beispielweise ist es vollkommen überflüssig, wenn mir mehrere Wirtshäuser in meinem Facebook-Newsfeed Frohe Ostern wünschen und sich am Muttertag über mütterliche Leistungen bedanken.

Aber dieser Schmarrn kostet scheinbar nichts und ist ohne erlernte Kenntnisse und Fähigkeiten im Hintergrund möglich. Ein teures Handy und ein Providervertrag, mit dem man Facebook-Werbung praktisch geschenkt bekommt und immer auf dem Laufenden ist, gleicht einem neuen Statussymbol. Der Verlust von Freiheit und Demokratie ist ebenfalls umsonst und wird bedenkenlos in Kauf genommen: Schöne neue Welt!

Ähnliches wie beim Wetter gilt für fotografierte Speisen. Alle haben Vorstellungen, wie beispielsweise Schnitzel oder Kaiserschmarrn ausschauen. Macht man aber ein schnelles Handyfoto, postet es auf Facebook und schreibt „lecker“ oder gar „saulecker“ dazu, steigt die Wahrscheinlichkeit von verführten, angelockten Gästen überproportional an. Dabei ist nicht das Ausschauen, sondern der Geschmack entscheidend. Noch größeren Erfolg verspricht man sich mit einem Video-Schnipsel, z. B. über das Bierzapfen.

So sind zumindest die Erwartungen der Facebook-Gläubigen mit ihren überflüssigen meist täglichen Beiträgen. Die vom Schmarrn begeisterte Jüngerschar sendet dann umgehend eine Reservierung, zu der sie dann eventuell kommt. Solche Vorgehensweisen werden insgesamt als die Segnungen und Neuerungen des Internets angesehen. Das Vaterunser müsste ergänzt werden mit: Unseren täglichen Facebook-Müll gib uns heute.

Facebook-Beiträge fördern ein Unternehmen, das sich im Höchstmaß gegen Freiheit, Demokratie und Datenschutz richtet. Regelmäßige Mitteilungen von Wirtshäusern gleichen dem Herrschaftsanspruch der übermäßigen Verpreußung. Meine hier vorgestellte Auswahl entspricht der persönlich empfundenen Häufigkeit der Beiträge, betrifft nicht die Qualität und hat die alphabetische Reihenfolge. Aufgeführt sind nur Betriebe, welche die Benennung Wirtshaus beanspruchen. Sieger ist das Park Café, Zweiter das Tegernseer Tal mit mehrmals täglichem Unsinn.

Zu den gschroamaiadn Münchner Wirtshäusern bei Facebook gehören die folgenden Gaststätten:

Augustiner Am Dom
Augustiner am Platzl
Bachmaier Hofbräu
Donisl

Herrschaftszeiten
Hofbräuhaus
Hofbräukeller
Park Café

Ratskeller
Tegernseer im Tal
Zum Stiftl am Marienplatz

Übertreibungen

Manche Wirtshäuser legen jegliche Zurückhaltung ab, loben sich in den Himmel und schrecken vor keiner sprachlichen oder fotografischen Übertreibung zurück. Bevorzugt nutzen Wirte, aber auch einige Wirtinnen das Internet zur Selbstdarstellung. Sie zeigen, welche großartigen Typen sie sind, was sie alles können und haben.

Spätestens nach einer Insolvenz oder fluchtartigen Betriebsaufgabe bricht das Kartenhaus zusammen. Personal und Lieferanten werden im Regen stehen gelassen, damit der eigene Geldbeutel im Trockenen bleibt. Dann weidet die Boulevard- und Regenbogenpresse die Leichen aus, weil sie das immer schon gewusst habe. Bei stadtbekannten Betrügern wird aber auch gerne ein Auge im Sinne des verständnisvollen Zwinkerns oder des wohlwollenden Wegschauens zugedrückt: Hund sans scho!

Erfolgreiche Wirte mit Häusern, die von treuen Münchner Gästen gut besucht werden, halten sich mit Internetauftritten meist bescheiden zurück. Sie sitzen am längeren Hebel als die Betriebswirte in den Touristenburgen und können so auch Krisen gut überstehen.

Fragwürdigkeit

Wer zu den gschraomaiadn Wirtshäusern gehört, ist in München allein schon durch den Blätterwald des Boulevards bekannt. Mit der Marktschreierei auf Facebook ist man erfreulicherweise nicht mehr von Journalisten und Zeitungen abhängig, bemerkt selbst aber keine inhaltlichen, formalen und sprachlichen Blamagen.

Zudem übt die Presse kaum mehr Kritik an den Wirtshäusern. Bei Neueröffnungen gibt es Lobeshymnen und Vorschusslorbeeren im redaktionellen Teil, die vor nicht allzu langer Zeit zur bezahlten Werbung gehört hätten. Sachliche Wirtshauskritik und beißender Spott der Vergangenheit sind nicht mehr zu finden, weil mögliche Werbekunden wie Wirte und Brauereien nicht vergrault werden dürfen.

Niemand traut sich mehr den Sinn von Unsinn zu hinterfragen, z. B.

Nein, da werden Pressetermine gemacht und großartige Berichte über solchen Schmarrn formuliert. Besonders ärgerlich ist das Aloisius-Monster, weil es humorvolle bayerische Kulturgüter verkitscht: die Ludwig-Thoma-Geschichte, die Adolf-Gondrell-Bearbeitung und den Walter-Traudl-Reiner-Zeichentrickfilm. In der Schwemme zwingt man Seine königliche Hoheit Prinz-Regent Luitpold von Bayern auf ein nichtssagendes, unpassendes Pappmaché-Monster zu blicken. Ein solches Ungeheuer gehört in die Geisterbahn, aber nicht in einen Bierpalast. Da wird doch das Bier sauer!

Für den Donisl gibt es gezirkelte Muster in den Fenstern im Sinne einer Corporate Identity. Diese haben leider die Anmutungsqualität von mittelmäßigen Schülerarbeiten mit solchem Zeichengerät. Außerdem befinden sie sich auch auf den Donisl-Caps. Das sind angesagte, identitätsstiftende Kopfbedeckungen, zu denen man früher Kappn oder Kappe in Bayern gesagt hat. Die Frage stellt sich, was Zirkelmuster mit einem Münchner Traditionswirtshaus zu tun haben.

Staatliches Hofbräu und Hofbräuhaus veranstalten sogar ein jährliches Playboy-Fotoshooting für das Wiesn-Playmate. Sicherlich ist nichts dagegen einzuwenden, wenn sich jemand selbstbewusst, freizügig ablichten lässt und die Fotos veröffentlicht werden. In diesem Beispiel stehen aber staatliche Einrichtungen, die zum Bayerischen Finanzministerium gehören, im Werbungszusammenhang mit erotischer Fotografie und nicht mit staatlicher Mäßigung und Zurückhaltung.

Völlig unverständlich sind die Morisken an Wänden im Augustiner am Platzl und im Hofbräuhaus-Bräustüberl. Morisken waren in der spanischen Geschichte christianisierte Mauren mit schwarzer Hautfarbe, die mit München nur gemeinsam haben, dass sie hier geschnitzt wurden und sich als Figuren im städtischen Alten Rathaus befanden. Der ursprünglich maurische Moriskentanz war eine weit verbreitete, beliebte Tanzart und Volkbelustigung im Mittelalter. Anscheinend hat man sich gedacht: Wenn sie schon im Rathaussaal waren, werden sie doch etwas Typisches für München sein.

Mit Münchner Kulturtradition im Sinne von Volkskunst, Volkstanz, Trachten, Handwerkern, Zünften und Vergleichbarem hat das überhaupt nichts zu tun. Hätte man beispielsweise einheimischen Volkstanz mit Trachten oder den Schäfflertanz als Dekoration verwendet, wäre das Münchner Weltbild in Ordnung.

Die fragwürdige Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ich sehe solche Beispiele als Verpreußung an, weil sie vermutlich von Personen stammen, die keine Bayern sind. Zuagroaste müssen sich anpassen und können Bayern werden, aber nicht mit solchem Schmarrn. Preißn im Münchner Rathaus haben sogar schon eine preußische Veranstaltungsagentur für das Stadtgründungsfest engagiert: Pfui Deife, wo samma denn!

Musik

Musikalische Unterhaltung im Wirtshaus ist ein schwieriges Feld, weil die Vorlieben und Geschmäcker sehr unterschiedlich sind. Man kann es niemandem Recht machen, darf aber deshalb keine Gleichmacherei versuchen, z. B. Konservenmusik von Radiosendern oder Tonträgern. Live gespielte Wirtshausmusik wird in meinem Umfeld wieder verstärkt angeboten. Dabei höre ich aktuell gerne die Obermüller Musikanten im Hofbräuhaus wegen ihrer einheimischen Personen- und Angebotsvielfalt.

Bei vielen Musikkapellen bemerkt man ein großes Repertoire, das von klassischer Musik bis zum Schlager oder von der Nordseeküste bis zu den Caprifischern reicht. Sogar einige Songs beispielsweise der Beatles sind zu Klassikern der Wirtshausmusik geworden. Am liebsten höre ich traditionelle, bayerisch-böhmische Wirtshausmusik. Diese ist bei traditionsbewussten Altbayern in den Genen verankert, wird aber häufig vor allem durch die sich ständig ändernde Jugendkultur überlagert. Im Alter setzt sich das Erbgut wieder durch.

  • Eine Verpreußung der Musik im Wirtshaus entwickelt sich oder wird betrieben, wenn die musikalische Unterhaltung Lebensraum und Traditionen widerspricht. Das kann alle Stile und Richtungen betreffen. Außerdem wollen benachbarte und internationale Gäste hier altbayerische Musik hören.
  • Ein zweites Merkmal ist der Herrschaftsanspruch und die Gleichmacherei, die nichts anderes gelten lassen, z. B. preußische und deutsche Militärmusik. Marschmusik aus Bayern und Österreich kann man dagegen als gemütlich und traditionell ansehen.
  • Weiter zeigt sich die Verpreußung bei der oberflächlichen Ausrichtung an einem primitiven Publikumsgeschmack, z. B. Hey Baby. Die Entwicklung der sogenannten Partymusik und ihr Vordringen auf Volksfeste sind solche negativen Entwicklungen. Geplärre, Maßkrug-Klopfen und Auf-Bänke-Steigen gehören zu den damit verbundenen Auswüchsen.
  • Das andere Extrem ist die überflüssige Hintergrundbeschallung mit gleichförmiger und gleichmachender Konservenmusik, die scheinbar traditionell bayerisch ist, oft auf Toiletten läuft und eigentlich hinuntergespült gehört. Preußenwirte verwenden sie sogar in Gasträumen.
  • Schließlich umfasst Verpreußung in der Musik für mich auch übertriebene Lautstärke, bei der Gespräche unmöglich sind. Dabei werden wiederum Herrschaftsansprüche und Bevormundung erzeugt.

Musik im Wirtshaus soll dem Wohlbefinden, der Geselligkeit und der Unterhaltung dienen, bei denen sich Ausgeglichenheit, Zwanglosigkeit, Konfliktfreiheit und Sorglosigkeit einstellen. Dafür gibt es in Bayern das schöne Wort Gemütlichkeit. Selbstverständlich gehört Dynamik beispielsweise im Sinne von laut und leise, schnell und langsam oder hoch und tief dazu – aber bitte keine hektische Unruhe und Übertreibungen in der Musik.

Alle Stilrichtungen der Musik haben ihre Berechtigung. Zum altbayerischen Wirtshaus, Biergarten oder Volksfest, passt eigentlich alles, jedoch nicht immer. Zwänge sind zugunsten der Freiheit von Stilrichtungen aufzugeben. Traditionelle Volksmusik wird mit jungen und modernen Angeboten verbunden. In unserem Heimatland soll Bayerisches bevorzugt werden. Es muss ja nicht gleich Bayernpop, Musikantenstadl oder Partymusik sein. Bayern hat im Gegensatz zu Preußen eine Volksmusik, keine volkstümliche oder volksdümmliche Musik.

Einrichtung

Einheimischen und Touristen gefallen in traditionellen Münchner Wirtshäusern die langen Tische, Bänke mit Lehnen, Stühle und das Dazusetzen. Solche altbayerischen Traditionen müssen aber mit Umgangsformen und Regeln erhalten werden. Leider wird man bei großen Tischen gelegentlich gezwungen, unpassendes Verhalten, unangemessene Äußerungen oder unerwünschtes Dazusetzen mitzuteilen und zu verhindern.

Lange Tische befinden sich auch als billige Biergarnituren im sogenannten Biergarten auf dem Viktualienmarkt. Ich meide diese von der Stadtverwaltung verpachtete Touristenfalle in bester Innenstadtlage aufgrund der unkomfortablen Sitzbänke ohne Lehnen. Gelegentlich setze ich mich aber zu Bekannten im dortigen Servicebereich mit Stühlen.

Auf lehnenlose Bänke oder mittlerweile auch auf Hocker für Touristen und Preußen würde ich mich nur in Ausnahmefällen dazusetzen. Essen und Trinken im Stehen sieht man häufig auf dem Markt oder im Zentrum, sie kommen für mich jedoch nicht infrage. In Gasträumen bevorzuge ich Tische und Stühle oder Bänke mit Lehnen. Biergärten sollen Biergartentische und Gartenstühle oder ebenfalls Biergartenbänke mit Lehnen anbieten.

Platz-, Geld- und Arbeitsaufwand sparende Bierbänke ohne Lehnen sind im Sinne der Verpreußung schon lange auf dem Vormarsch. Bei einer Häufung wird man im unbesetzten Zustand an Soldatenfriedhöfe erinnert. Und diese haben die Preußen in der Geschichte ja zahlreich bewirkt. Unbequeme Sitzbänke ohne Rückenlehnen eignen sich wegen ihrer Mobilität und leichten Reinigung eher für Volksfeste.

Stehtische, hohe Tische mit Barhockern oder hohen Bänken und Barhocker an einer Bar sind für altbayerische Wirtshäuser untypisch, nehmen aber zu. Auch das ist ein Zeichen für Verpreußung. Andeutungen hierzu finden sich beispielsweise im Schneider Bräuhaus, Augustiner am Platzl und Donisl. Im Hofbräuhaus hat man sogar einen ganzen Raum von Tischen und Stühlen befreit und Stehtische aufgestellt. Wenn das keine Anbiederung an deutsch-preußische Kneipenkultur ist!

Eine Ausnahme bildete das Stehen in Wirtsgärten um Bierfässer im alten München. Dieses wird beispielsweise belegt durch historische Fotografien mit Bierfässern als Tische und mit stehenden Gästen im Wirtsarten des Hofbräuhauses.

Höhepunkt der Verpreußung beim Mobiliar ist das Lokal Herrschaftszeiten, das frühere Paulaner im Tal. Dort will man die bald 500 Jahre alte Wirtshaustradition fortführen. Beim Umbau herausgekommen ist ein kaltes, künstliches Lokal, dass fast zur Hälfte Stehtische anbietet.

Das ist vergleichbar mit dem Festzelt Hofbräu auf der Wiesn, seinen Stehtischen im Zentrum und den entsprechenden Gästen aus Australien, Neuseeland, England und Amerika. Münchner verirren sich kaum in diese Stehabteilung – so wie in den eigens eingerichteten Stehtischraum des Hofbräuhauses.

Zum Mobiliar gehört die Dekoration im Wirtshaus. Ein Hirschgeweih oder ein König-Ludwig-Portrait sind noch keine Garanten für altbayerische Wirtshauskultur – genauso wie zu viel davon. Bayernkitsch oder die schon erwähnten fragwürdigen Elemente weisen auf Verpreußung hin.

Kastlmenschen

Weltweit wird festgestellt, wie praktisch ein Handy ist. Niemand erkennt die Abhängigkeit von dieser Technik. Ich verzichte in der Öffentlichkeit absichtlich auf die mobile Information und Kommunikation, obwohl ich über die technischen Möglichkeiten in der Wohnung verfüge und sie ausgiebig nutze.

Die Handynutzung ist überall zu einer Seuche geworden, sogar im Wirtshaus. Fleißig werden mittlerweile von allen Generationen Fotos und Videos gemacht, Texte getippt, Informationen abgerufen, versandt und nicht zuletzt Telefongespräche geführt.

Wenn diese lautstark im Wirtshaus erfolgen, werden sie zum Störfaktor für Tischnachbarn und ganze Gasträume. Da lässt man freundlich erscheinende Personen am Tisch dazusetzen, sie nehmen aber keinen Kontakt auf und konzentrieren sich sofort auf das Kastl. Diese Abwendung ist einfach ärgerlich und wird durch Telefongespräche verstärkt.

Höflichkeit und gutes Benehmen hätten eigentlich ein den Umständen entsprechendes Tischgespräch oder zumindest ein paar freundliche Worte erwarten lassen. Viele Wirtshausgäste sind aber dazu nicht mehr fähig.

Mit diesen Worten möchte ich dazu ermuntern, in der Öffentlichkeit keine digitalen Medien zu nutzen. Direkte Sinneswahrnehmung und persönliche Gespräche sind wichtiger als technische Mittel.

Beispiel: Fängt so ein asozialer Preiß in meiner Gegenwart am Hofbräuhaustisch zu telefonieren an, vernichte ich ihn zunächst mit Blicken. Sein Weibchen verteidigt ihn sofort, dass das Gespräch mit dem gemeinsamen Sohn sei. Ich entgegne, dass mir das wurscht sei und dass er sich zum Telefonieren schleichen soll.

Mit anderen Worten, mir platzt der Kragen, beginnt ein Preiß neben mir auf dem Kastl zu telefonieren. Ich beschimpfe ihn umgehend als Saupreußen und empfehle ihm, daheim zu bleiben. Dort kann er sich anschweigen und telefonieren so viel er will. In meiner Gegenwart telefoniert niemand. Lautloses Wischen und Tippen wird angewidert zur Kenntnis genommen, ein lautstarkes Telefonat gehört natürlich gestört und möglichst verhindert.

Das ist selbstverständlich eine Übertreibung, aber stellen sie sich vor, was mir tatsächlich passiert ist. Im Hofbräuhaus hat am Tisch neben mir eine junge Dame mit einem Hai telefoniert. Wie sie das Raubtier erkannt hat, ist mir unverständlich. Ich habe jedoch deutlich gehört, dass sie mit den Worten „Hallo Hai“ angefangen hat. Bevor ich einschreiten konnte, hörte ich schon die Verabschiedung mit „Tschüss“. Und mir ist ein Licht aufgegangen.

Dazusetzen

Das Reservieren in der Gastronomie steht in enger Verbindung mit der Handynutzung. Es ist ja so einfach für eine Reservierung eine gespeicherte Wirtshausnummer anzurufen oder eine E-Mail zu senden. Ob man dann wirklich hingeht, kann später entschieden werden.

Dazusetzen, wie es früher in altbayerischen Wirtshäusern an langen Tischen üblich war, ist dagegen ein alter Hut, der aber von internationalen Gästen gerne angenommen wird. Weil sie überflüssige Platzanweisungen in ihrer Heimat gewohnt sind, will das Dazusetzen als typisch bayerische Eigenart genossen werden. Das wird aber leider von immer mehr Münchner Innenstadtbetrieben verhindert, indem man zum Platzieren übergeht.

Die gesamte Thematik oder Problematik ist sehr vielschichtig und besonders kennzeichnend für die Verpreußung. Hierzu habe ich viele tragische und komische Erfahrungen gesammelt, die nach einem eigenen Beitrag bei Tivolifoto verlangen.

Biergärten

Eigentlich ist der Begriff Biergarten in der deutschen Sprache ein Unsinn, weil dort im Gegensatz zu anderen und richtigen Gärten kein Bier wächst. Geschichtlich entstanden solche Gastangebote über Bierkellern. Deutschlandweit wird heute der Bierausschank im Freien zu Biergarten vereinheitlicht oder verpreußt. In Bayern müsste es vergleichbar zu Wirtshaus, richtigerweise Wirtsgarten heißen, in Österreich Gastgarten. Jetzt hat sich aber sogar die Behördensprache mit dem Biergarten verpreußen lassen – so wie Kioskpächter, die bei zwei Tischen das Schild Biergarten aufstellen.

Ohnehin wäre Wirten der Begriff Wirtsgarten lieber, damit sie nicht wenigstens teilweise zulassen müssen, dass sich Gäste selbst bewirten. Das würden Wirtsleut lieber selber machen. Eine besonders raffinierte Form der Verpreußung ist mit dem Münchner Biergarten am Chinesischen Turm im Englischen Garten passiert. Dazu gibt es bei Tivolifoto den Beitrag: Supermarkt und Preißngarten. Aus der Schänke und den Essenstheken ist ein Supermarkt im Freien geworden. Preißn freuts.

Der sogenannte Biergarten auf dem Viktualienmarkt ist eigentlich ein Wirtsgarten an einer Schänke und einem Standl mit Speiseangeboten sowie einem Selbstbedienungs- und Bedienbereich. Insgesamt gibt es meist vorgefertigte, billig eingekaufte Speisen. Hervorzuheben ist beispielsweise das Schnitzel aus Pressfleisch. Als Bierspezialität erlebt man den Feldafinger, bei dem Bier vorgezapft, dann stehengelassen und Schaum darüber gepritschelt wird. Auch hier freuen sich Preißn und denken, dass sich das traditionell in Bayern so gehört.

Die Coronapandemie hat dem sogenannten Biergarten auf dem Viktualienmarkt einen Bretterzaun beschert, der die Bedienung verpflichtend gemacht hatte und jetzt als Abwehr des Verzehrs woanders gekauften Speisen zur Hälfte stehen bleibt. Solche Zäune sind mir seit der bäuerlichen Kindheit als Begrenzung der Auslaufbereiche von Sauställen bekannt. Dieser Innenstadt-Sauweide-Bretterverhau ist zur Preißn-Erfreuung mit billigen Kunststoffgirlanden geschmückt.

Beim Wirtsgarten vor dem Schneider Bräuhaus hat man Paletten mit Seilen verbunden und teilweise bepflanzt. Auf dem Weg vom Reichenbachplatz zum Platzl muss ich mich gegenwärtig über solche Fragwürdigkeit und Hässlichkeit schämen. Bin ich wirklich der Einzige, dem das auffällt? Dabei halte ich das Schneider Bräuhaus als eine Heimat meines Goaßgschaus für ein traditionelles Wirtshaus, das sich erfolgreich gegen Verpreußung wehrt.

Veranstaltungen

Veranstaltung in Wirtshäusern gibt es auf Internetseiten wenig. Dort heißen sie nämlich Events und passen mehr oder weniger gut zur bayerischen Wirtshauskultur, z. B. Fernsehfußball. Große Bildschirme sind in neuen Wirtshäusern oft vorinstalliert oder werden zu Großereignissen aufgestellt. Dabei tun sich besonders Biergärten hervor, damit kein Besucherschwund bei internationalen Meisterschaften entsteht.

Passivsport in Wirtshäusern ist ein Zeichen von Verpreußung so wie der gesamte Sport an sich, weil er durch Nationalismus geprägt ist. Die Aktiven treten in Nationalmannschaften und in Nationalfarben auf, aber bayerische Rauten sind nicht zu sehen. Bei internationalen Turnieren gibt es keine Teilstaaten wie im Vereinigten Königreich. Alle Wirtshausbesucher sind der preußischen Gleichmacherei vor den Bildschirmen ausgesetzt.

Veranstaltungen, die der traditionellen Unterhaltung in bayerischen Wirtshäusern dienen, sind beispielsweise Vereinsabende. Leider haben sich viele Vereine eigene Veranstaltungsgebäude errichtet und schaden damit den Wirtshäusern. In solchen Fällen zeigt sich die Verpreußung weniger bei den Wirten, sondern den Vereinen. Gscheite Wirtsleut finden aber einvernehmliche Möglichkeiten.

Weniger gscheite Wirtsleut engen den Kreis ihrer Gäste ein, indem sie Wirtshaustraditionen untersagen, z. B. das Kartenspielen. Dabei ist Schafkopf kein Glücksspiel, sondern altbayerisches Kulturgut und Lebensart. Wirte, die Schafkopfen verbieten, müssen geächtet werden. Wirtshäuser, die sogar Schafkopfturniere anbieten, sind auszuzeichnen.

Eine Sonderform des Wirthauses ist das Volksfest, wobei das Oktoberfest in München das größte ist. Dieses von Stadtverwaltung verunstaltete Fest hat sich leider zu einem internationalen Preußenfasching entwickelt. Damit ist eigentlich alles ausgedrückt. Den Preußen in der Stadtverwaltung ist es sogar gelungen die Oide Wiesn zu verpreußen.

Die städtischen Übertreibungen und Auswüchse mussten zu einem zweifachen Ausbleiben das Oktoberfests durch einen Virus führen. Deshalb veranstalteten Münchner Wirte zweimal das Dümmste, das München passieren konnte: die Wirtshaus Wiesn 2020 und die WirtshausWiesn 2021. Damit waren der Preußenfasching und die Verpreußung endgültig ins Wirtshaus geholt worden. Meine hier verlinken Beiträge belegen den Unsinn, der wahrscheinlich künftig bleiben und bestimmt bald ganz Altbayern verseuchen wird.

Gegen Internationalität und Völkerverständigung in bayerischen Wirtshäusern, Biergärten oder Volksfesten ist natürlich nichts einzuwenden, solange die bayerische Ausrichtung bestehen bleibt. Eine mexikanische Nacht in einem Biergarten oder eine italienische Woche in einem Wirtshaus mit entsprechenden Speisen, Getränken und Musik sind eine schöne Abwechslung, wenn die Nacht oder Woche ansonsten bayerisch ist.

Trifft das nicht zu oder werden Dauerangebote eingerichtet, darf man sich nicht Wirtshaus nennen. Solch ein fragwürdiges Angebot ist die Strandbar im traditionellen Biergarten des Münchner Hofbräukellers. Irgendwas hat das Wirtsehepaar bei der Erziehung ihres Sohnes falsch gemacht, weil der sich solchen Unsinn einbildet. Fängt einer an, findet er natürlich etliche Preißn als Nachahmer, so dass es mittlerweile weitere Strandbars in München gibt.

Eine Bar mit Sand an einem nicht vorhandenen Strand hat in einem bayerischen Biergarten nichts verloren. Das gilt sogar für eine Bar ohne Sand, wenn ein See vorhanden ist, z. B. im Seehaus am Kleinhesseloher See des Englischen Gartens. Dort gibt es übrigens Gaudialarm morgen ab 12:00 Uhr. Die dazugehörige Veranstaltung heißt in bester bairischer Sprache „Summer Opening“. Sollte dieser Hinweis im Winter gelesen werden, ist es mir egal, weil es sich ohnehin nur um Preißn-Schmarrn handeln kann, von dem gscheite Bayern sowieso fernbleiben.

Persönliches

Vielleicht wird es als ungewöhnlich wahrgenommen, dass ich hier und in meinem Vorstellungstext bei Tivolifoto mitteile, Wirtshausbesucher zu sein. Mein aktueller Bekanntenkreis besteht aber vorwiegend aus Wirtshausgästen. Ich treffe sie ohne Verabredung im Wohnviertel und in der Innenstadt.

Mit dem Selbstverständnis eines niederbayerischen Wahlmünchners besuche ich seit fast 50 Jahren Münchner Wirtshäuser und Biergärten. Dabei bevorzuge ich gegenwärtig das Hofbräuhaus wegen persönlicher Bekanntschaften, fotografischer Möglichkeiten und musikalischer Unterhaltung. Als Alleinstehender suche ich Gesellschaft, Gespräche und Abwechslung, freilich auch serviertes Essen und Trinken. Andere beabsichtigen Vergleichbares, weil sie in Partnerschaft oder Familie leben.

Meine Aussagen zum Wirtshaus sind notwendig und ausführlich, weil Wirtshaus Erleben und Gemeinschaft Gestalten für mich als Single-Senior ein wichtiger Lebensinhalt sind. Wirtshausbesuche von älteren Herren sind in Altbayern Tradition und Kultur, wenn auch eine gefährdete.

Unsere Tischgemeinschaften können Eigenschaften wie gemütlich, griabig oder zünftig entwickeln. Außerdem gibt es gelegentlich eine Gaudi. Gesprochen wird Bairisch oder was es davon in München noch gibt.

Mein Gesprächsverhalten ist eher zurückhaltend, allerdings bewusst personenbedingt und situationsorientiert. Eigene Redebeiträge erfolgen, wenn ich sie als erwünscht wahrnehme und sie etwas Besonderes oder Humorvolles beinhalten.

Wiederholungen versuche ich zu vermeiden. Aussagen zu allbekannten Zeitungsberichten, zum Passivsport und Fernsehkonsum langweilen mich. Rechthaberei und Kampf um Redeanteile bei Tischgesprächen sind mir zuwider so wie Geschwätzigkeit, Anstandslosigkeit, Abstandslosigkeit und Trunkenheit. Maßvoller Biergenuss gehört aber dazu.

Im Wirtshaus bevorzuge ich klassische Verhaltensweisen, beispielsweise Grüßen mit bayerischen Grußformen und kein Hallo-Tschüss, Bitten und Danken, Vorstellen und Fragen nach einem Sitzplatz, einvernehmlicher Kontakt und kein Handy auf dem Tisch, vernünftiges Gesprächsverhalten und keine Machtkämpfe.

Mit diesen ausführlichen Informationen zu meiner Person versuche ich, meinen Erfahrungshintergrund darzustellen und Verständnis für mein Schreiben gegen die Verpreußung zu wecken.

Tischverhalten

Nicht nur an bayerischen Wirtshaustischen fallen mangelnde Ordnung und Sauberkeit unangenehm auf. Solches Verhalten ist als eine Missachtung der eigenen Person und des Personals zu bewerten. Auf den Tisch gehört nur, was vom Personal gebracht worden ist. Essen und Trinken sind möglich, ohne Reste oder Spuren auf Tischen zu hinterlassen. Als Gast gebieten sich Wohlwollen, Respekt und Großzügigkeit gegenüber dem Personal. Habgier und Geiz sind abzulehnen und solchen Tischnachbarn mitzuteilen.

In der Schwemme des Hofbräuhauses kann man neben unordentlichen Tischen auch Auswüchse im Verhalten erleben, z. B. Massengeplärre, Ohne-Gruß-und-Frage-Dazusetzen, Auf-Bank-Steigen, Auf-Tisch-Pennen, Mit-Maßkrug-Wandern, Mit-Maßkrug-Klopfen, Maß-Exen. Das Sicherheitspersonal geht zwar geben solch preußisches Fehlverhalten vor, kann die Entstehung jedoch nicht verhindern.

Manche Preißn vergessen in Wirtshäusern, Biergärten und Volksfesten, was sie in ihrer Heimat nicht dürfen, und drängen vernünftige Einheimische zurück. Nicht dagegen vorzugehen, wäre falsch verstandene Duldsamkeit und Freiheit. Idiotisches Einzel-, Gruppen- und Massenverhalten im Wirtshaus zeigen mir Anfänge sittlicher Verrohung, die bayerischer Tradition und Lebensart widersprechen – also Verpreußung

In Altbayern ist es üblich am Wirtshaustisch bei guter Stimmungslage mit Tischnachbarn auf ein Prosit der Gemütlichkeit zu trinken – nicht nur wenn die entsprechende Musik gespielt wird. Internationale Gäste verstehen dieses Ansinnen meist sofort und freuen sich, das Anstoßen angeboten zu bekommen.

Am besten eignen sich Maßkrüge zum Anstoßen. Anlässe dafür gibt es viele, z. B. wenn jemand eine frische Maß bekommt. Dieser glückliche Wirtshausbesucher erhebt den Maßkrug und verkündet frohlockend: „I hob a Frische.“ Die Tischnachbarn stoßen mit ihm an und erklären zurückhaltend: „I hab a Oide.“ Damit ist keinesfalls die weibliche Partnerin gemeint, sondern die nicht mehr frische Maß.

Solche bayerischen Feinheiten werden von Preißn natürlich nicht verstanden. Da fällt mir doch die oide Preißn-Schäsn ein, die sich keinen Millimeter bewegt hat, obwohl ich beim Dazusetzen um ein bisschen Rutschen gebeten hatte, weil am oberen Ende des langen Tisches ein Platz frei geworden war. Nein, sie bleibt hocken, wendet sich von mir ab und zeigt mir die Schulter.

Solches Verhalten gipfelt dann in der preußischen Suche nach unbesetzten Tischen im Wirtshaus. Viele Preußen wollen sich gegensätzlich zu Bayern im Gastraum verteilen und möglichst ein eigenes Revier beanspruchen. Das haben sie mit der Tierwelt gemeinsam. Solche Erkenntnisse bekomme ich nicht aus eigener Anschauung, sondern von liebenswerten, mitteilsamen Preußen, die ihre Heimat zu Erholungs- und Urlaubszwecken mit bayerischen Zielen verlassen.

Reisegäste

In der Münchner Altstadtgastronomie ist besonders zu beobachten, dass Reisen zum internationalen Konsumartikel geworden sind. Ich habe solche Reiseformen schon immer abgelehnt, weil sie nicht natürlich und umweltverträglich sind. Menschen suchen in anderen Erdteilen, innerhalb Europas oder Bayerns zeitlich begrenzt nach Lebensverhältnissen, Unterhaltungsmöglichkeiten und Freiheiten, die sie lieber in ihrer Heimat schaffen sollen. Im Pauschaltourismus lernt man nicht Land und Leute kennen, sondern einen Tourismusbetrieb. Menschliche Sichtweisen, die durch ein Land geprägt werden, bleiben verborgen.

Auch Bayern reisen weltweit und kennen dabei oft nicht die Schätze von Natur und Kultur in der Heimatregion. Nach verschiedenartigen Reiseerfahrungen habe ich Altbayern im 21. Jahrhundert nicht mehr verlassen und beschränke mich auf Ausflüge mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln. Gerne erinnere ich mich an meine Fahrradreisen als junger Mann in Südeuropa. Das hat aber jetzt endgültig nichts mit der Verpreußung im Wirtshaus zu tun.

Ich verstehe, warum München und Bayern den vielen Touristen gefallen. Insgesamt wird hier noch versucht, Identität, schönen Lebensraum, Tradition und Brauchtum zu bewahren. Dazu gehört auch ein natürlicher und eigenständiger Umgang mit Grundbedürfnissen. Reisegäste suchen beispielsweise nach Schönheit in Natur und Kultur, Eigenheit beim Essen und Trinken, Originalität bei Verhaltensweisen, Kleidung und Gebäuden. Tourismus-München und Bilderbuch-Bayern scheinen solche Bedürfnisse zu befriedigen.

Saupreißn

Insgesamt sind Bayern preißn- und touristenfreundlich eingestellt. Wichtig ist aber, dass diese Gäste wieder heimfahren. Sie sollen in ihrem eigenen natürlichen Umfeld lebenswerte Verhältnisse schaffen, damit sie München und Bayern nicht ständig heimsuchen müssen. Viele berichten mit ehrlicher und ausheimischer Unzufriedenheit, wie es ihnen hier im Gegensatz zu ihrer Heimat gefällt und sie deshalb den Drang nach Süden verspüren.

Westdeusch- und ostdeutsch-preißische Gäste mit Haltungen, die meinen, was wir Bayern denn ohne sie wären, sollen aber bitte daheimbleiben. Für sie gibt es die liebevolle Bezeichnung Saupreißn. Wir scheuen uns nicht, solche in der Öffentlichkeit so zu benennen.

Immer sind Betroffene damit einverstanden und zeigen Wohlwollen für diese Ausdrucksweise. Schweine sind doch reinlich, intelligent und wohlschmeckend. Sie verfügen über eine natürliche Intelligenz im Gegensatz zu manchen Menschen. Außerdem ist Saupreiß keine Beleidigung, sondern eine Feststellung, die sich nicht auf die nationale Herkunft, aber auf das Verhalten von Personen in München und Bayern bezieht.

Auf der Wiesn ist der Begriff Saupreiß für die Polizei München keine Beleidigung, sondern eine einfache Grußfloskel mit der Übersetzung: Sei gegrüßt, Fremder.

Im Hofbräuhaus sind Bayern oft deutlich zu erkennen. Die Saupreißn brauchen sich doch bloß nicht dazusetzen und können gleich in die niedere Schwemme gehen. Kellner weisen ihnen schon die Richtung zum Preißntreffen. Internationale Gäste mit angemessenem Benehmen sind aber gern gesehene Tischnachbarn

An touristisch bevorzugten Orten in München lernt man bei mehreren Besuchen vor Ort Einheimische kennen, die mit der Preißn-Problematik vertraut sind. Dazu gehören nicht nur Münchner, sondern auch das Gastronomiepersonal in der Altstadt. Dieses muss sich allerdings zurückhalten, Gäste dürfen sich aber Beschimpfungen erlauben. Das Personal reagiert immer verständnisvoll für den Zorn von Stammgästen.

Münchner werden oft als Grantler benannt. Es geht hingegen nur um sprachliche Selbstverteidigung, die sein muss und natürlich nicht für alle Touristen notwendig ist. Sprachliche Angriffe gegen unangemessenes Verhalten sind allgemein üblich, bei körperlichen wird es schwierig.

Im-offenen-Messer-Preißn

Keine Angst: In Bayern wird niemand geschlachtet. Aber lecker schmeckt es schon: das Preißnfleisch und Preißnblut. Wenn sich manche Preißn durch Dazusetzen im Wirtshaus oder Biergarten in das Zusammensein mit traditionellen Bayern begeben, dann laufen sie nicht ins offene Messer, sie sind bereits mitten drin.

Es gibt eine historische und humoristische Dimension dieser Angelegenheit, die mit der folgenden Ausdrucksweise in zahlreichen Varianten dargestellt wird:

Heut aufdnacht wern Preißn gschlacht.
Wer Preißnfleisch mag, soi kemma de Dog.

Verantwortungsbewusste Bayern warnen ihre Mitmenschen mit den folgenden Worten:

Tuts mir keinem Preißn was, sonst kommt
zur Beerdigung die ganze Verwandtschaft und bleibt da.

In einer weiteren Formulierung werden sogar genaue Zahlen angegeben:

Man darf in Bayern niemals einen Preißn erschlagen.
Wenn der hier auch noch beerdigt wird,
bleiben von 100 Trauergästen 99 hier.

Kommentare zu dieser drastischen Ausdrucksweise sind hier nicht empfehlenswert. In jedem Fall trifft sie für auffällige Gruppen mit Manderl oder Weiberl zu, z. B.  Junggesellenabschiede, Sauftouristen, Fußballfans.

Ballermann-Preißn

Ballermann ist eine geschützte Marke, für die es Lizenzbedingungen gibt. Eine sogenannte Ballermann-Party kann somit nur mit Zustimmung von ballermann.de veranstaltet werden. Im Münchner Zentrum sind zwar keine Veranstaltungen mit diesem Namen bekannt, aber der damit gemeinte Zustand an Wochenenden. Der Stadtverwaltung und den meisten Innenstadtwirten muss man deshalb empfehlen, vorsorglich eine Lizenz zu beantragen.

Schwerpunkt des Münchner Ballermanns ist die schon erwähnte Achse vom Viktualienmarkt über das Tal zum Platzl. Dort erlebt man an Freitagen und Samstagen auffällige Gruppen von Touristen mit einheitlichen T-Shirts, Junggesellenabschiede, Fußball-Preißn und sonstiges Gschwerl, z. B. Sauftouristen besonders aus England und Italien.

Viele internationale Touristen sind jedoch harmlos gegenüber deutschen Burschen-, Weiber-, Sauf- und Fußballhorden, die in der Münchner Altstadt und in Biergärten ihr Unwesen treiben. Gemeinsame Kennzeichen sind Alkoholisierung und Geschrei, das Gesang sein soll.

Bei großen Fußballereignissen hört und sieht man grölende Fußball-Chaos-Idioten in entsprechender Verkleidung auch an Wochentagen in der Innenstadt und den Biergärten. Nach unangenehmen Erfahrungen gestalten viele Münchner die Fußballtage und Samstage ohne Wirtshausbesuche im Zentrum.

Bedauerlicherweise wird in München nichts gegen den zunehmend exzessiven Party- und Sauftourismus unternommen. Etliche Innenstadtwirte und öffentlich für Sicherheit und Ordnung Verantwortliche dulden idiotische Übertreibungen, solange die Ärgernisse begrenzt bleiben und weil konsumiert wird.

Junggesellenabschiede

Besonders auffällig, störend und ärgerlich sind Junggesellenabschiede, die ohnehin nicht überall möglich sind. Bei näherem Hinsehen entpuppen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer häufig als Ossi-Nachwuchs, wobei Angelsachsen und die niederen Lande eingeschlossen sind. In München werden sie aber zeitweise freigelassen und treiben ein Unwesen, das sie sich daheim nie trauen dürfen und würden, z. B. Saufpartys mit schlechtem Benehmen.

Die Junggesellenabschiede ziehen in lärmenden Horden durch die Stadt, bedrängen andere Personen und hinterlassen Müll. Im Mittelpunkt der vertrottelten Junggesellen befindet sich ein Oberidiot in primitivem, scheinbar spaßigem Weibs- oder Faschingskostüm. Auf der Weiberseite sind es wild gewordene, zu Übertreibungen neigende Brautjungfern, die ein fragwürdiges Weib begleiten, dem man sich nur mit Schutzmaßnahmen nähern sollte.

Lobenswerterweise weist der Augustinerkeller sei 2012 mit einem Schild am Eingang zum Biergarten darauf hin, dass keine Junggesellenabschiede geduldet sind. Auch der Augustiner Klosterwirt wünscht sich keine.

Andere Münchner Wirtshäuser und Biergärten lassen aus Habgier die Belästigung der Gäste zu. Bezeichnenderweise handelt es sich bei Betrieben, die nichts dagegen unternehmen, vorwiegend um dieselben, die bei Facebook als Schreihälse auftreten.

Fotoalbum

Wohlwollend geneigte Leserinnen und Leser vermissen in diesem Beitrag keine Abbildungen. Bevor es massenhafte Digitalfotos gegeben hatte, hat man Texte noch gelesen und vielleicht ein Bild zum Inhalt bekommen. Dann kam die Illustration mit vielen Bildern. Jetzt könnte ich diesen Text mit zahlreichen Fotos ausgestalten. Das würde aber die Aufmerksamkeit von den Textinhalten weg zu den Bildern lenken.

Für Verständnis und Lesefluss sind Teilüberschriften, Abschnittsgliederung, farbliche Hervorhebungen, Links und Listen ausreichend. Gänzlich möchte ich aber nicht auf Fotos verzichten und biete deshalb das folgende Album an, um meine Ausführungen teilweise zu belegen: https://photos.app.goo.gl/J4RvmDEcG9spESn68.

Dieser Beitrag ist für das Internet und das Lesen am Bildschirm sehr umfangreich. Ich sehe allerdings keine Kürzungsmöglichkeiten und muss mich mit solchen Mitteln ausdrücken. Gefällt das nicht, braucht niemand hier zu lesen. Leider befindet sich das Lesen mit dem Internet auf dem Rückzug. Mir wird aber erfreulicherweise und oft mitgeteilt, dass meine Ausführlichkeit und die verwendeten Stilmittel positiv gesehen werden.

Bayern-Preißn-Witze

Harmlose Darstellungen zu liebevollen Beziehungen zwischen Bayern und Preußen gibt es in der Internetseite Bayerische Witze. Dort haben das Wirtshaus und die Preißn eigene Abteilungen. Bei dieser Art von Übertreibungen und Witzen sind die Bayern meist im Vorteil. Deshalb wird hier ein Witz zugunsten der Preißn aufgeführt:

Eine ältere Dame sitzt mit ihrer jungen, hübschen Tochter, einem Bayern und einem Preußen im Zugabteil. Im Tunnel wird es dunkel. Plötzlich hört man ein Schmatz und einen Knall. Als es wieder hell wird, sitzen alle da, als sei nichts gewesen.

  • Die Tochter denkt, dass einer der beiden Herren versucht hat, sie zu küssen, aber im Dunkeln aus Versehen ihre Mutter erwischt, und die ihm eine geschmiert hat.
  • Die Mutter denkt, dass wohl einer der beiden versucht hat, ihre Tochter zu küssen, und die ihm eine Watschn gegeben hat.
  • Der Bayer denkt, dass der Saupreiß versucht hat, die Tochter zu küssen, und die ihn gewatscht hat.
  • Der Preiß denkt: Wenn wieder ein Tunnel kommt, schmatze ich nochmal und hau dem Bayern wieder eine runter.

Mit ein bisschen Phantasie könnte man diese Geschichte auf einen langen Wirtshaustisch und einen Stromausfall übertragen. In Wirklichkeit war es natürlich umgekehrt gewesen. Die Zugabteile sind mittlerweile ständig beleuchtet und im Wirtshaus geht nur sehr selten das Licht aus.

Bayern werden aber in Vergangenheit und Gegenwart häufig abgewatscht – allein schon durch die Ausbeutung mit dem unzeitgemäßen Länderfinanzausgleich, wobei der bayerische Anteil fast zur Hälfte in die Preußen-Hauptstadt fließt. Und die CSU lässt das zu. Das hat wiederum nur wenig mit der Verpreußung vom Wirtshaus zu tun.

Acht Gebote

Im vorangegangenen Beitrag von Tivolifoto Die Preißn-Hoibe vom Donisl wurden acht Gebote der altbayerischen Wirtshauskultur formuliert. Alle Verstöße dagegen beinhalten eine Verpreußung vom Wirtshaus. Deshalb werden die Gebote hier wiederholt.

  1. Wirtshäuser gehören einheimischen Gästen, nicht Touristen, Wirten oder Brauereien – auch nicht bei anderen rechtlichen Eigentumsverhältnissen.
  2. Wirte sind vorrangig anwesende und mitarbeitende Gastgeber, nicht Betriebswirte oder Scheinwirte, die sich wie Gäste verhalten.
  3. Wirte und Personal sind verpflichtet, Gästen zu dienen, nicht zu versuchen, über sie zu bestimmen.
  4. Bier ist von einheimischen Brauereien als Handwerksprodukt in Hoibe oder Maßen unter anderem aus Holzfässern anzubieten, wobei gezapft, nicht vorgezapft und Schaum gepritschelt wird.
  5. Speisen sind frische, regionale, saisonale, natürliche und vor Ort zubereitete Handwerksprodukte, keine vorgefertigt angelieferten und haltbar gemachten Industrieprodukte mit Einheitsgeschmack.
  6. Personal, Speisekarten und Medienangebote benennen Speisen und Getränke bairisch oder südhochdeutsch, nicht mit Nordizismen, Anglizismen, Modernismen und Pseudodialekt.
  7. Preise sind vorrangig an Qualität und Leistung, nicht am Profit auszurichten.
  8. Dazusetzen ist die Regel, Reservierungen, Platzanweisungen und Stehtische sind Ausnahmen.

Nix fia unguad

Ich bin und war nur als Gast in Wirtshäusern. Wirt möchte ich keiner sein, da mir das Falsch-Machen zu gefährlich wäre. Und wie man es macht, ist es häufig falsch. Zahlreiche Betriebsaufgaben sind Belege dafür. Mein Schreiben bezieht sich nur auf Erfahrungen als Gast, Berichte anderer Gäste und Wahrnehmungen im Internet.

Betrieb und Besitz von Wirtshäusern überlasse ich großzügig den Wirten und Brauereien. Schon haben wir das Hauptproblem. Es gibt nur mehr wenig gscheite Wirtsleut, sondern immer mehr Geschäftsführer, Betriebswirte oder Scheinwirte, die nur dem Anschein nach verantwortlich oder anwesend sind, aber nicht als Gastgeber auftreten und mitarbeiten. Ziel ist dann häufig das zweite Wirtshaus oder die Kette. Gäste werden zu Verlierern.

Für alle Wirtsleut, die versuchen, sich gegen die Verpreußung vom Wirtshaus zu wehren, habe ich größten Respekt und wünsche ihnen viel Erfolg. Insgesamt danke ich allen bayerischen Wirtshäusern, dass es sie noch gibt:

Ein herzliches Dankeschön an alle bayerischen Wirtshäuser

Vielleicht freuen sich manche, hier nicht erwähnt zu werden oder ärgern sich, mit der Verpreußung in Verbindung gebracht und kritisiert zu werden. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass Wirtshäuser arbeitsaufwendige, risikoreiche Betriebe sind, die Arbeitsplätze anbieten und Grundbedürfnisse erfüllen.

In jedem Wirtshaus gibt es etwas zu loben und auszusetzen. Oft hängt Kritik unter anderem vom persönlichen Befinden eines Gasts ab. Die hier benannten Wirtshäuser sind nur ein Teil meines Erfahrungshintergrunds. Betriebe, die hier nicht erwähnt werden, machen auch nicht immer alles richtig. Sie halten sich jedoch eher zurück und setzen vielleicht mehr auf heimatliche Tradition, solides Handwerk und hochwertige Qualität.

Zum Schluss bitte ich einige Preißn-Gaststätten und Preißn-Gruppen in München und Bayern um Nachsicht, dass sie hier nicht beinhaltet sind, z. B. Rathaus-Preißn, Rot-Grün-Preißn, CSU-Preißn, Regierungs-Preißn, BR-Preißn. Hier gehts nur ums Wirtshaus, aber ihr kommt schon noch dran.

5 Kommentare

  1. Liebe Gäste,

    ich danke für die vielen persönlichen Komplimente zu diesem Beitrag, aus denen ich ein Zitat mitteilen darf: „Wunderbar präzis beobachtet und mit galligem Stift aufgespießt!“

    Junge Menschen wachsen in unsere Wirtshäuser hinein und nehmen sie in der heutigen Form als normal gegeben wahr. Die ältere Generation weiß aber, wie früher Gastlichkeit und Qualität angeboten worden sind.

    Ich wünsche der Jugend, aus dem Trauerspiel um die Wirtshauskultur wieder ein Lustspiel mit Freude und Genuss machen zu können.

    Herzliche Grüße vom Tivoli
    Josef

  2. Lieber Josef,
    dieser Beitrag war wieder ein Genuss.
    Ob sich daran etwas ändern wird, bezweifle ich. Wenn Leute z.B. wegen eines Junggesell*innen-Abschieds von Hamburg nach München (oder auch Mallorca) fliegen oder fahren können, weil das Geld keine Rolle spielt und Reisen immer noch billig ist, wird sich nichts ändern. Wenn man von Australien nach München fliegen kann, nur um sich auf der Wies’n unterhalb der Bavaria auszukotzen und dann seinen Vollrausch auszuschlafen, ist doch schon längst etwas schief gelaufen. Diese Seuche „Wohlstand ohne Anstand und ohne Verstand“ wird sich noch lange halten. Und so wie es Kriegsgewinnler und Pandemiegewinnler gibt, gibt es genügend Leute, die am „Wohlstand ohne Anstand und ohne Verstand“ ihren Reibach machen, ohne Rücksicht auf Kultur. Hauptsache „Gewinn“. Egal, ob sich dabei aus der Wirtshauskultur eine Gastronomie-Prostitution entwickelt.
    Bis zum nächsten Musikantentreff im Hofbräuhaus.
    Rudi

    • Lieber Rudi,
      vielen Dank. „Wohlstand ohne Anstand und ohne Verstand“ ist trefflich hingerichtet und formuliert. Da brauche ich keinen süßen oder scharfen Senf dazuzugeben. Es schmeckt auch ohne und ist für mich ebenfalls ein Genuss. Traurig muss ich aber feststellen, dass wir Recht haben. Das nächste Treffen soll uns eine besondere Freude werden.
      Herzliche Grüße
      Josef

  3. Das war wahrscheinlich der längste Blogbeitrag, den ich je gelesen habe. Und als Preuße bedanke ich mich für das Zugelernte, das ich gut gebrauchen kann, wenn ich mal wieder meine Tochter im Bayerischen Wald besuche.

    • Lieber Ralf-Rainer,
      wir kennen uns ja schon lange durch unsere Internetangebote. Schaufoto.de ist praktisch ein Partnerblog mit hervorragenden Fotos und ähnlichen Einstellungen zur Bloggerei. Mit Deinem freundlichen Kommentar machst Du mir eine große Freude, für die ich auch danke. Wegen der Länge des Textes bitte ich um Verständnis, weil sie notwendig war – was Dein Zulernen und Gebrauchen belegen. Ich wünsche viel Freude bei den Besuchen.
      Herzliche Grüße von München nach Weißenfels
      Josef

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