Dahoambleim im Hofbräuhaus

Dahoambleim im Hofbräuhaus

Liebe Festgäste

Normalerweise biete ich zum Monatsanfang das Programm mit den Festkapellen in der Schwemme des Hofbräuhauses an. Verständlicherweise hat sich dieses im Juni 2020 nicht verspätet, sondern ist einfach ausgefallen. Als kleinen Ersatz verfasse ich Berichte, Links zu Fotoalben, Meinungen und Wünsche zur Wiederöffnung – und damit schon zum dritten Mal Mitteilungen ohne Musikprogramm. Ich befürchte, bei einigen Festgästen als aufdringlich wahrgenommen zu werden. Aber erstens sind aller guten Dinge drei, zweitens kann man sich abmelden und drittens sind meine Ausführungen von unglaublich bedeutsamer Wichtigkeit.

Glaskugeln

Ursprünglich wollte ich eher im Blick auf die Coronafolgen fürs Hofbräuhaus schreiben. Das Titelbild verrät, dass ein mehr oder weniger humorvoller Blick in die Glaskugel geplant war – so wie bei der Josefifeier und dem HHO-Beitrag. Die Zukunft überließ ich aber lieber den Fachleuten, weil man sich damit sauber blamieren kann. Ausgenommen sind natürlich unsere Politiker, bei denen ist das normal. Die müssen sich nicht schämen, sondern bei einer Blamage aufsteigen. Karl Valentin meinte zu Vorhersagen: Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.

Da schaue ich lieber ein wenig in die Vergangenheit mit den Ausgangsbeschränkungen. Mein anfänglicher Tatendrang, was ich alles schreiben werde, war groß. Nach einiger Zeit kam mir der Antrieb vollständig abhanden. Meine Schreiberei begann erst wieder mit der Lockerung der Beschränkungen und brauchte nicht nur eine Glaskugel, sondern gleich drei Leberkas-Scheiberl und sogar sechs Schusser.

Nach dem humorvollen Fotobuchtitel Fotorausch im Hofbräuhaus fiel mir für das geschlossene Wirtshaus ein etwas fragwürdiges Wortspiel mit Coronarausch ein. Und was macht man bei einem Coronarausch? Das ist doch klar: Daheimbleiben oder in Altbayern natürlich Dahoambleim. Und was passiert, wenn das Hofbräuhaus geöffnet wird: Selbstverständlich ebenfalls das Dahoambleim.

Dahoambleim

Unser zwoate HoamatDamit könnte man denken: Jetzt spinnt er aber ganz. Jedes Kind weiß doch, entweder man geht irgendwo hin, dann befindet man sich dort und nicht daheim, oder man geht nirgendwo hin, dann ist man nicht auswärts, sondern daheim. Niemand kann also gleichzeitig im Hofbräuhaus sein und daheimbleiben. Außer eine Person verfügt über die angebliche Fähigkeit, an zwei Orten zugleich zu sein. Die katholische Kirche schreibt diese Bilokation einigen Heiligen zu, z. B. Antonius von Padua, Josef von Cupertino, Pater Pio und Franziskus von Assisi.

Selbige heilige Fähigkeit habe ich aber derzeit im Hofbräuhaus. Ich bin daheim, weil nur Einheimische anwesend sind. So begründen sich das Dahoambleim und die Glaskugeln im Titelbild. Eine weitere Erklärung wäre das Stammtischschild Unser zwoate Hoamat, wobei jedoch gegenwärtig wohl mehr die erste Heimat genutzt wird.

Unser zwoate HoamatDahoambleim war aber bereits vor der Krise von einigen Hofbräuhausgästen missverstanden worden, beispielsweise mit fragwürdigen Tischsitten, Stehen auf Sitzbänken, Saufen, Lärmen, Pöbeln, Pennen, Jogginghosen – stellvertretend für unangemessene Kleidung. Probleme bereitete nicht wie heute der Abstand, sondern der Anstand in der Öffentlichkeit. Man konnte vielfältige Erfahrungen des Ausartens machen.

Bei solchen Touristen, die oft in Gruppen auftraten und über die Münchner Altstadt hereinbrachen, ist es erfreulich, dass sie jetzt daheimbleiben müssen, z. B. Fußballidioten und Junggesellenabschiede. Junge Männerrunden fielen meist an Feiertagen, Freitagen und Samstagen im Zentrum unangenehm auf. Viele kamen aus Italien, aber auch aus Deutschland und von überall her.

Am schwierigsten war und ist es mit Preußen, weil sie glauben, dass ein Besuch in Bayern, in München und im Hofbräuhaus wie Urlaub im eigenen Land ist.

Viele einheimische Bayern und Münchner sehen das aber ganz anders, weil das Daheimbleiben für sie verschiedene Aspekte hat. Bayerische Münchner sollen natürlich schon ins Hofbräuhaus gehen. Zugezogene Preußen, also solche mit Migrationshintergrund aus dem benachbarten Deutschland, sind bei Stau und Überfüllung im Münchner Umland besser aufgehoben. Preußen als Touristen sollen bald wieder heimfahren und keinen Gedanken daran verschwenden, hier leben zu wollen.

Es gibt aber auch Preußen, die sich in München so gut benehmen und verhalten oder angepasst und eingelebt haben, dass sie bei den Münchnern willkommen sind. Außerdem muss man wissen: Preußen wird in Bayern vielfach als Sammelbegriff für unangenehme Personen weltweit verwendet.

Kitsch

Engel Aloisius, Alois Hingerl, Münchner Dienstmann Nr.172In der hohen Schwemme schwebt gegenwärtig statt eines historischen Kronleuchters ein besonderer Daheimgebliebener zwei Meter über den Gästen. Vor der Krise war Alois Hingerl unsichtbar. Seit neustem ist der Münchner im Himmel mit Mund-Nasen-Bedeckung über dem zentralen Prozessionsgang aufgehängt worden – also praktisch hingerichtet. Der Münchner Dienstmann Nr. 172 hält Sicherheitsabstand und trägt eine Maske aus einer alten HB-Tischdecke. Das Hofbräuhaus lies die überdimensionale Figur aus Kunststoff und Styropor von einer Filmrequisitenfirma anfertigen.

Über Geschmack lässt sich in diesem Fall sehr wohl streiten. Eine dezente Erscheinung, ein diskretes Platzerl, eine heimische Schnitzarbeit aus Holz und ein geringes Volumen hätten dem Engel Aloisius sicher besser gefallen als diese humorlose Monsterfigur. Als Münchner Grantler hätte sich Alois Hingerl mit allen Mitteln gegen eine solche Hinrichtung und Zurschaustellung gewehrt. Ludwig Thoma schrieb 1911, dass Aloisius noch im Hofbräuhaus sitzt, nicht schwebt oder hängt. Außerdem kann man Engel nicht sehen, mit Biergenuss sind sie nur zu spüren.

Der gehenkte Kunststoffengel im Hofbräuhaus lässt vermuten, dass jemand über zu wenig Geschmack und zu viel Geld verfügt.

Engel Aloisius, Alois Hingerl, Münchner Dienstmann Nr.172Die Zeichentrickfigur stammt aus dem Jahr 1962. Bei den 1965er Deckengemälden und der gesamten Raumausstattung hatte man bislang auf das Aloisiusmotiv verzichtet. Die monströse Darstellung ist ein virusbedingtes Produkt der Schließung des Hofbräuhauses in der Coronakrise – sozusagen ein Rote-Radler-Engel der Gegenwart. Was soll ausgesagt und wer soll mit dem Monster angesprochen werden? Gäste müssen sicherlich nicht an Abstand und Maske erinnert werden. Einheimische Münchner und Bayern brauchen keinen Hinweis auf diese humorvolle Kurzgeschichte. Touristen kennen sie vermutlich nicht. Sie fotografieren ohnehin und überhaupt alles, was sie nicht verstehen.

Engel Aloisius, Alois Hingerl, Münchner Dienstmann Nr.172Ein solcher Kunststoffkoloss als Werbegag ist überflüssig und verschwenderisch. Er passt in keine Traditionseinrichtung, sondern mehr auf den Ballermann. Sollen wildgewordene Weiber oder fragwürdige Damen Teile ihrer Unterwäsche auf die Figur werfen so wie im Hofbräuzelt auf der Wiesn?

Ich halte diese neue Hofbräuhausfigur in Form und Präsentation schlicht, ergreifend und einfach für Kitsch, dessen Aussage unverständlich ist. Damit wird man der Tradition des Königlichen Bierpalasts aus dem Jahr 1897 und dem Denkmalschutz nicht gerecht. Dagegen sind die Ludwig-Thoma-Geschichte, die Adolf-Gondrell-Bearbeitung und der Walter-Traudl-Reiner-Zeichentrickfilm humorvolle bayerische Kulturgüter.

Das Hofbräuhaus müsste für das Monster eigentlich eine Geldstrafe zahlen – so wie damals Ludwig Thoma für die Aussage, dass der Kultusminister Anton von Wehner heute noch vergeblich auf die göttliche Eingebung wartet. In der Bearbeitung wartet sogar die gesamte bayerische Regierung auf viele göttliche Eingebungen. Und derzeit wartet offensichtlich das Hofbräuhaus auch darauf.

Wünsche

Lieber als Kritik am Geschmack oder Blicke in die Zukunft schreibe ich in der gegenwärtigen Situation natürlich meine drei Wünsche.

  • Wirtshausmusik wie vor Corona
  • Mehr einheimische Gäste aus München und Bayern
  • Frisch zubereitete, geschmackvolle und preiswerte Speisen

In der Woche der Biergartenöffnung hatte ich dreimal den Schweinsbraten gegessen. Nicht nur weil es wenig anderes gab, sondern weil er hervorragend schmeckte. Grund war ganz einfach die frische Zubereitung im Haus, wobei der Braten dreimal so gut war wie nach dem Aufwärmen. Ich habe den Wunschtraum, dass dies irgendwann vielleicht sogar wieder mit Schweinshaxn und Grillhendl möglich wird. Was ist denn schon dabei? Wohlschmeckende, frische Hendl und Haxn bietet doch jedes Dorffest an.

Insgesamt rächt sich jetzt, dass unser Hofbräuhaus zur Massenabfertigung für internationale Touristen, Messe- und Kongressbesucher entwickelt worden war.

Vor der Krise gab es in der Schwemme mit Ausnahme der Stammtische kaum noch Münchner Gäste. Viele Stammtische schienen nur auf Schildern, Fotos und Listen zu existieren. Es bestand keine natürliche Mischung von Touristen und Einheimischen. Münchner und Musikanten bevorzugten an wenigen Tagen das Bräustüberl.

In der Hofbräuhausküche am Platzl war offensichtlich kaum mehr frisch zubereitet, sondern nur noch aufgewärmt und dekoriert worden. Bei Fleischgerichten konnte man Glück haben, oft war aber der Grad von Festigkeit und Trockenheit schon vor dem Verzehr zu sehen. Zum Erweichen eignete sich natürlich die einheitliche Bratensoße. Die Qualitätsstreuung bei Bratengerichten war groß und wurde von Touristen bei einmaligen Besuchen nicht bemerkt. Leider scheinen diese Vorgehensweisen nach der Wiederöffnung weitergeführt zu werden.

Seitdem gibt es aber eine große Ausnahme. Ein Besuch in Schwemme und Biergarten ohne internationale Touristen ist wie ein Daheimbleiben, jedoch mit nur einigen Gästen aus München sowie dem bairisch- und deutschsprachigen Raum. Damit erübrigt sich das Konzept Wachstum. Nach meiner Meinung darf keine Hinwendung zur früheren Normalität, sondern zur neuen Qualität erfolgen. Pläne wie Erweiterung der Plätze und Angebote zum Platzl hin sind wohl fragwürdig geworden.

Pflichten

Ich formuliere meine Feststellungen und Erwartungen nicht nur als häufiger Festgast, sondern auch als Münchner und bayerischer Staatsbürger. Mir sind viele angenehme Hofbräuhausbesuche trotz der vielen Touristen in Erinnerung – manche sogar wegen einiger internationaler Gäste. Andere Münchner hatten mir aber oft mitgeteilt, dass sie gerade wegen der Touristen nicht mehr hingegangen waren.

Prinzregent Luitpold im Königreich Bayern und in der Hohen Schwemme des HofbräuhausesDas Argument, im Hofbräuhaus war es nicht anders gewesen als in allen Lokalen der Altstadt oder Münchner Biergärten, lasse ich nicht gelten. Anderswo gibt es private Eigentümer oder Pächter von privatem Besitz. Die Bewirtschaftung eines Denkmals, eines historischen Staatseigentums und einer Visitenkarte des Freistaats Bayern verpflichtet aber zu qualitativ hochstehenden Angeboten. Das staatliche Hofbräuhaus mit königlich bayerischer Tradition darf sich nicht auf die Ebene der Massenabfertigung begeben, wie z. B. Kantinen, Gastroketten, Supermärkte, städtisches Oktoberfest. Jetzt könnte man fragen, was mich das überhaupt angeht. Meine Antwort ist sehr einfach:

Als Münchner und Bayer habe ich ein Recht, in einem Gastronomiebetrieb wie dem Hofbräuhaus, das dem Freistaat Bayern gehört, heimatliche und gefällige Angebote zu bekommen, welche die Staatsregierung für ihre Bürger macht.

Touristen wollen natürlich auch ein traditionelles Erleben und Genießen, wissen aber meist nicht, wie das geht. Sie kommen in der Regel einmalig, begegnen sich nur untereinander und betreiben Telekommunikation mit ihren Daheimgebliebenen.

Zur Wiederöffnung des Hofbräuhauses ohne Touristen ist bemerkenswert, dass draufgezahlt werden muss. Man weiß aber nicht von wem, und Wirte jammern immer. Sollte jedoch ein langjähriges Gastronomieangebot eine Durststrecke nicht überstehen, dann hat es vorher etwas falsch gemacht.

Wenn Wirte von Staats- und Stadteigentum nicht öffnen, soll anderen Wirten ermöglicht werden, ihre Dienste bei vernünftigen Bedingungen anzubieten. Gipfel von Habgier und Sich-Nicht-Schämen ist, wenn Wiesnwirte nicht aufmachen. Bei Dienstleistungen und Produkten muss auch investiert und zeitweilig zugezahlt werden. Das alleinige Abkassieren und die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen im Krisenfall reichen nicht. Aus meiner Sicht als Gast habe ich Rechte, und Wirte stehen in der Pflicht gegenüber Gästen und Mitarbeitern. Wo kommen wir denn hin, wenn es immer nur ums Geld geht?

Gäste

Das Hofbräuhaus entwickelte sich in der Vergangenheit gut für die Geldbeutel der Eigentümer und Betreiber sowie für die unkritische Masse der Kurztouristen, aber negativ für Münchner Gäste. Nach meiner Einstellung soll der Betrieb von Staatseigentum vorrangig im Blick auf die Qualitätssteigerung erfolgen.

Wirtsleute sollen über Herz, Engagement und Anwesenheit verfügen sowie mehr als funktionieren, verwalten, investieren, rationalisieren und delegieren. Sie müssen sich wie Gastgeber verhalten, nicht wie Gäste und Betriebswirte. Dazu gehören Begrüßung und Fragen nach Zufriedenheit und Wohlbefinden der Gäste und des Personals. In der Münchner Gastronomie gibt es leider zu viele Betriebswirte, die weitere Wirtshäuser hinzugewinnen wollen, um Systeme und Ketten zu bilden

Ein echter bayrischer Wirt ist kein Betriebswirt, sondern ein Gastgeber.

Der Zeitraum mit Coronalockerungen wäre ideal, um einheimische Gäste wieder an das Hofbräuhaus zu binden. Viele Menschen überdenken nämlich ihre Gewohnheiten und neigen zu Veränderungen. In Biergarten und Schwemme bemerkt man aber nach wie vor keine Persönlichkeit, die sich um die Gäste bemüht. Einige Kellner und Oberkellner leisten hervorragende Arbeit im Sinne der Gästebetreuung. Sie können jedoch das Fehlen eines gesamtverantwortlichen Gastgebers nicht ersetzen. Gästebetreuung im Sinne von Platzzuweisung reicht nicht aus und widerspricht der Tradition des selbst erfragten und freien Zusammensitzens in Bayern.

Münchner und Bayern, die wiederkommen sollen, brauchen Gründe dafür. Sie sind vom Hofbräuhaus bisher nicht umworben worden, andere Wirtshäuser und Biergärten sind auch ansprechend und die vielen Touristen waren abschreckend. Die vollautomatische Geldverdienmaschine mit Touristen ist im Hofbräuhaus nicht nur vorübergehend, sondern langfristig beschädigt. Man kann sie aber wieder mit einheimischen Gästen zum Laufen bringen, wenn das Angebot stimmt.

Gäste lassen sich durch Infektionsangst und Hygienevorgaben wie Masken, Abstand und Beschränkungen von Wirtshaus- und Biergartenbesuchen abhalten. Die aktuelle Kritik daran brauche ich hier nicht zu wiederholen, weil es sie anderswo genügend gibt. Nichts ist mehr wie vor der Krise. Alles, was mit Massen zu tun hat, wird mit Recht als fragwürdig und gefährlich wahrgenommen. Ohne wirksame Mittel gegen diese Infektionen gibt es keine Rückentwicklung zu vergangenen Verhältnissen. Bei Grenzöffnungen und internationalem Flugverkehr reist das Virus mit.

Erneute Touristenmassen wie vor Corona könnten ein hohes Infektionsrisiko im Hofbräuhaus bewirken, vor dem die Bayerische Staatsregierung ihre Bürger schützen muss.

Heimat

Die Brauerei Staatliches Hofbräuhaus München als Eigentümer der Immobilie darf bei der Bewirtschaftung nicht nur auf die Steigerung von Bierabsatz und Umsatz schauen. Damit wird sie der Aufsichtsbehörde Finanzministerium nicht umfassend gerecht. Dieses hat nämlich das Wort Heimat in die offizielle Bezeichnung bekommen: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat. Deshalb müssen die folgenden Fragen an die Staatsdiener gestellt werden:

  1. War die mit internationalen Touristen und Besuchern gefüllte Schwemme des Hofbräuhauses vor der Krise noch Heimat und hat es noch der bayerischen Wirtshaustradition entsprochen?
  2. Was wird für einen wieder zunehmenden Besuch der beheimateten Münchner und Bayern getan?
  3. Kann sich die Mehrheit im heimatlich bayerischen Staatsvolk die Preise im Hofbräuhaus noch leisten?
  4. Wie geht es der heimatlich bayerischen Küche nicht nur auf der Speisekarte, sondern auch auf dem Teller?

Dem Heimatministerium diese Fragen vorzulegen, macht vermutlich wenig Sinn, weil es sich bei der Zuständigkeit winden und auf Brauerei und Pächter verweisen würde. Außerdem ist eine Verletzung der Aufsichtspflicht in der Vergangenheit schwer nachzuweisen, weil Verträge eingehalten wurden und die Zahlen stimmen. Und das ist doch eine Förderung der Heimat oder doch nicht?

Ein bayerisches Wirtshaus ist kein Industrie-, sondern ein Handwerksbetrieb.

Im Sinne der heimatlichen Wirtshauskultur müssen alteingesessene, traditionelle Wirtshäuser und besonders ein Staatsbetrieb wie das Hofbräuhaus künftig auf die folgenden negativen Entwicklungen verzichten:

  • Umsatz- und Mengenwachstum, dafür aber Qualitätswachstum
  • Weitere Gesellschaften und Wirtshäuser mit derselben Geschäftsführung statt Pflichterfüllung und Begeisterung für einen Betrieb
  • Wechselndes Personal anstelle von langfristiger, umsatzbeteiligter Arbeit

Personal

Die Massenabfertigung internationaler Gäste hat funktioniert. In der Öffentlichkeit wird das Hofbräuhaus als Tourismusbetrieb wahrgenommen, der viele Einheimische mehr oder weniger nicht mehr interessiert – sogar im Bereich der Belegschaft, wobei nur ein Teil des internationalen Personals vom Hofbräuhaus direkt angestellt ist.

Für den zweiten Teil gibt es die Besonderheit einer selbstverständlich gesetzmäßigen Leihfirma. Diese erweist sich jedoch als fragwürdig, weil die Leiharbeit nicht vorübergehend erfolgt und somit dem Sinn der Zeitarbeit widerspricht. Das Hofbräuhaus benötigt nämlich keinen saison- oder ereignisbedingten, sondern einen gleichbleibend hohen Personalstand.

Spitzentage und Veranstaltungen sind bekannt und planbar. Der Gästezutritt wird bei drohender Überfüllung begrenzt, so dass keine Stoßzeiten entstehen. Neben Überstunden gibt es einfache Mittel für eine unerwartet hohe Gästezahl, z. B. insgesamt mehr Hauspersonal mit Erfahrung, Verantwortung, langer Anstellung und Beteiligung am Umsatz. Außerdem bevorzugen einheimische Gäste Personal, das bekannt ist, verantwortlich arbeitet und nicht ständig wechselt. Gleichbleibendes Personal würde eine Steigerung der Servicequalität bewirken.

Der Service ist in der Regel gut, aber wie bei allen Dienstleistungen verbesserbar. Oft bemerkt man großen Fleiß, hohe Anstrengungsbereitschaft und besondere Freundlichkeit. Ausnahmen können jedoch diese Wahrnehmungen bestätigen. Bei der Einteilung der Servicebereiche kann man manchmal den Eindruck gewinnen, dass mit Personaleinsatz gespart werden soll. Wiederholt sind Gäste zu beobachten, die Platz nehmen, aber dann wieder gehen, weil sie zu lange nicht bedient werden.

In der Krisenzeit wird nur das Hauspersonal eingesetzt. Praxis vor der Krise war, dass Angestellte der Leihfirma nach 18 Monaten die folgenden drei Monate aussetzen und danach wieder im Hofbräuhaus weiterarbeiten. Gesetzliche Pflicht wäre die Einstellung im Betrieb nach 18 Monaten. Personal lässt sich natürlich freiwillig und mit einfachen Mitteln von anderen rechtlich möglichen, aber zweifelhaften Arbeitsverträgen überzeugen. Zum Gesamtrahmen gehören Rotationslösungen mit Gaststätten im Umfeld.

Einer der Geschäftsführer des Hofbräuhauses leitet die Zeitarbeitsfirma, ein weiteres Wirtshaus und insgesamt ein Netzwerk von zehn GmbHs. Leiharbeit im Staatseigentum erfolgt unter den Augen der Aufsichtsbehörde Finanzministerium.

Leiharbeit wird im Hofbräuhaus und in anderen Gastronomiebetrieben vermutlich missbraucht, weil sie trotz Unterbrechungen dauerhaft stattfindet und ein Mittel zum Sparen von Lohnkosten ist.

Küchen

Im Gebäude am Platzl befindet sich nur mehr ein Teil der Küche des Hofbräuhauses. Auf der sogenannten grünen Wiese im mehr als zehn Kilometer entfernten Brunnthal war ein Lebensmittelzentrum errichtet worden. Die Leitung übernahm der weitere Geschäftsführer des Hofbräuhauses. Fleisch-, Wurst- und Backwaren, Gemüse- und Salatbeilagen werden im Sinne von Convenience Food vorgefertigt, z. B. vorgebratenes Schweinefleisch und Geflügel, konservierte Beilagen und Teiglinge.

Der aus dem Englischen entlehnte Begriff bedeutet „bequemes Essen“. Fertiggerichte sind für den Verbrauch schon weitgehend zubereitet, vielleicht sogar mit Plastikbeuteln vorportioniert und erleichtern die Arbeit vor Ort. Jetzt könnte man Kritikern vorhalten, sie verstünden nichts von Lebensmittel- und Küchentechnik in der Großgastronomie oder Convenience Food sei in den meisten Speiselokalen üblich. Das ist richtig, aber einheimische, vielfach wiederkehrende Gäste bemerken, ob Speisen frisch oder aufgewärmt, locker oder fest, saftig oder trocken, wohlriechend oder geruchsneutral, geschmackvoll oder geschmacklos sind.

Das Lebensmittelzentrum verfügt über eine eigene Metzgerei, Bäckerei und Konditorei. Nahrungsmittel werden für die Weiterverarbeitung im Hofbräuhaus vorbereitet. Die Regionalität der Produkte ist vermutlich gegeben, die Frische zugunsten der Konservierung aufgegeben. Umweltbelastende Lagerhaltung und Transporte sind übliche Folgen. Die Wiese gibt es natürlich nicht mehr.

Eine Wirtshausküche gehört ins Wirtshaus, um frische Produkte anzubieten und Gästewünsche jederzeit zu erfüllen.

Ich gehe in ein Wirtshaus zum Essen, weil ich frische Produkte genießen will. Aufwärmen kann ich zuhause selber. Die gegenwärtige Hofbräuhausküche wird aber zur tragikomischen Einrichtung, wenn mir ein Kellner mitteilen muss, dass er als Beilage Salzkartoffeln empfiehlt, weil Bratkartoffeln aus sind. Das belegt eine Küche, in der nicht mehr gekocht wird, und ein Wirtshaus, das Gästewünsche missachtet. Zubereitungsbitten und Beilagenwechsel werden ohnehin nur in Ausnahmefällen erfüllt.

Fragwürdige Argumente für die Auslagerungs- und Fließbandküche des Hofbräuhauses wären, dass die hohe Gästezahl massenhafte Vorfertigung erfordert. Dem ist entgegenzuhalten, ob die hohe Gästezahl überhaupt notwendig ist. Vielleicht war alles, was mit Massen zu tun hat, der falsche Weg. Und wir müssen zurückgehen, um den richtigen Weg einzuschlagen. Wahrscheinlich zwingt uns die Pandemie dazu. Coronainfektionen werden vielleicht bleiben so wie Grippe und Verkehrstote.

Warum kann man sich nicht mehr wie früher auf altbayrischen Volksfesten und sogar im Hofbräuhaus üblichen Standl frisch Abgeschnittenes, Gegrilltes oder Gebackenes holen, z. B. Leberkas, Schweinswürstl, Hendl, Emmentaler, Radi, Radieserl, Semmeln und Brezn? Dafür sollen Souvenirs in Shops gekauft und einer trügerischen Speisekarte geglaubt werden. Vielleicht müssen Rückschritte zu Fortschritten werden. Platz für solche Produktions- und Verkaufsstandl ist vorhanden.

Zum schlimmsten Beleg für Geschmacklosigkeit in den Küchen des Hofbräuhauses sind Schweinshaxn im wörtlichen und übertragenen Sinn geworden. Vertrocknetes Fleisch schmeckt nicht und ist mit herkömmlichen Messern kaum zu bearbeiten. Außerdem sind Schweinshaxn im Hofbräuhaus eine Beleidigung für jeden Bayern, weil Preußen glauben, dass hier so etwas gegessen wird.

Preise

Die Preise waren vor dem Ausbleiben der Reservierungen aus China im Festsaal auf annehmbaren Innenstadtniveau. Dann wurden die Speisenpreise mit teilweise mehr als zwölf Prozent erhöht. Vermutlich erfolgte diese unüblich hohe Steigerung außerhalb des zeitlichen und angemessenen Rahmens, um den Umsatz zu halten und um für eine Krise gerüstet zu sein. Touristen nahmen es hin, weil sie es nicht anders kannten. Einheimischen fiel die starke Preiserhöhung als unpassend auf, mussten sie aber ebenfalls akzeptieren.

Nach der Wiederöffnung der Gastronomie ist zu befürchten, dass viele Wirte keine Möglichkeit der Preissteigerung auslassen und sogar nach dem Unmöglichen suchen, z. B. Qualitäts- und Mengenbegrenzungen. Andererseits gibt es staatliche Hilfen und Steuersenkungen sowie bei Hofbräu Umsatzpacht und insgesamt sicherlich eine Bevorzugung von Staatseigentum.

Meine obige, pauschale Speisenbewertung ist selbstverständlich eine Übertreibung, aber Glück braucht man schon, und andere Speisen stehen zur hochpreisigen Wahl. Die folgenden Beispiele aus der Speisekarte und meinem Erleben sind Aussagen für das Gesamtangebot.

  • Beim Schweinsbraten mit Kartoffelknödel und empfohlenem, aber zusätzlich berechnetem Sauerkraut oder Krautsalat ergibt sich der Gesamtpreis von 18,40 Euro – wohlgemerkt in der bereits beschriebenen Zubereitung und Qualitätsstreuung.
  • Der Spanferkelbraten hat eine höhere Fleischqualität, unterscheidet sich geschmacklich wegen der gleichen warmgehaltenen oder aufgewärmten Zubereitung kaum vom Schweinsbraten. Mit dem üblichen Krautsalat werden 22,00 Euro verlangt.
  • Beim geschwefelten und mit Konservierungsstoff angereicherten Leberkas ist schon lange ein Kartoffelsalat zwangsverpflichtet worden, damit sich der aktuelle Preis von 10,90 Euro rechtfertigt. Echter Leberkas schmeckt auch ohne Beilage so wie Weißwürste oder eine Bratwurst. Irgendeine Form von Brot wäre ausreichend.
  • Eine halbwegs wohlschmeckende Brezn kostet 1,60 Euro, wofür man anderswo fast schon zehn Tiefkühlteiglinge bekommt. Ein ehrliches Handwerksprodukt wäre für einen Euro hinnehmbar, aber keine vorgefertigte Ware. Aufgebackene Brezn sind in Ordnung, aber nur wenn sie knusprig und nicht teigig schmecken.
  • Die Bratwurst mit verpflichtendem Sauerkraut und wählbarer Brezn wird mit 12,10 Euro berechnet. Würstl werden mit Ausnahme der Weißwürste nur mit Sauerkraut oder Kartoffelsalat angeboten.
  • Für eine im Regelfall nicht frisch abgeschnittene, sondern schon angetrocknete Scheibe Hausbrot wird 1,20 Euro verlangt.
  • Bei einer zusätzlichen Bestellung von Meerrettich, Preiselbeeren, Bratensoße und Sauerbratensoße wird 2,00 Euro berechnet. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte es zur Selbstverständlichkeit solche Gästewünsche kostenfrei zu erfüllen

Sind das noch Preise für die Mehrheit des bayerischen Staatsvolks? Wahrheitsgemäß liest man in der Speisekarte bei Spezialitäten und Schmankerln die Wörter hausgemacht und ofenfrisch. Welches Haus und welcher Ofen gemeint sind, steht aber nicht dabei.

Bei der Preisgestaltung im Hofbräuhaus wird offensichtlich nach dem Grundsatz verfahren: Was nicht teuer ist, ist nichts wert.

Gegenwärtig haben viele Menschen Verdienstausfälle und müssen sparen. Wegen der hohen Preise kurz vor der Krise können sie nicht erneut kräftig gesteigert werden. Außer die Münchner Bürger und das Volk der Bayern werden ganz vergessen und das Hofbräuhaus spezialisiert sich ganz auf das Abkassieren von Gspickten, Bonzen und erneut Touristen. Maximilianstraße und Schuhbeck sind nicht weit entfernt. Das wäre der Tod des Hofbräuhauses und der Tradition.

Ein Preisrückgang wegen der Mehrwertsteuersenkung ist unvorstellbar, aber mit Speisenangeboten und weiteren Sparmaßnahmen könnte getrickst werden. Seit Längerem ist bei Gerichten bereits eine Beilage weggelassen worden, z. B. der kleine und immer passende Salat, welcher auf der Karte als klein, bunt und frisch mit 5,50 Euro angeboten wird. Salat ist ein frisches Produkt und die Zubereitung Handarbeit. Wahrscheinlich kostet er deshalb einen Euro mehr als andere massengefertigte Beilagen.

Die Größe der Hofbräuhaus-Beilagen begründet die zusätzlichen 4,50 Euro nicht, weil kleine Portionen möglich und ausreichend wären. Ein Braten ohne Gemüse- oder Salatbeilage ist jedoch kein bayrisches Gericht. Dagegen sind bei manchen Würstl Beilagen traditionell überflüssig, weil sie am besten nur mit guten Brezn oder Semmeln schmecken. Wenn Würstl gschmackig sind, braucht man nicht einmal Senf oder Kren.

Fehlende oder zusätzliche Beilagen im Hofbräuhaus widersprechen der traditionellen bayerischen Küche und können als Geldschneiderei bezeichnet werden.

Vielleicht wird künftig beim Schweinsbraten der Knödel und bei Schweinswürstl das Sauerkraut als extra zu bezahlende Beilage empfohlen. Das Bayerisch Kraut zum Bierbratl ist bestimmt schon lange ein Wackelkandidat. Senf zu Würstl wäre eine weitere Spar- und Einnahmequelle. Soßen und Suppen könnte man verdünnen, z. B. die weltbekannte Münchner Suppe, in der die Weißwürste schwimmen. Dann sollte vielleicht sogar das Servieren eines Löffels extra berechnet werden.

Geschmack

Einheimische nehmen hohe Preise hin, wenn Qualität und Geschmack stimmen und beständig angeboten werden. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Staat im Hofbräuhaus ein Angebot für die Mehrheit seiner Bürger machen muss. Diese kennen angemessene Preise und wissen im Gegensatz zu vielen einmaligen Touristen, wie bayerische Schmankerl und Beilagen zubereitet werden und schmecken müssen.

Wiederkehrende Gäste lehnen Qualitäts- und Geschmacksstreuung bei Fleischgerichten ab – ebenso bei Knödeln, deren Bestandteile geschmacklich nicht mehr wahrnehmbar sind. Im Hofbräuhaus ist es aber nicht nur zum Standard, sondern zu einer Kunstform geworden, Knödel so herzustellen, dass sie nicht mehr nach Erdäpfeln oder Semmeln schmecken. Wegen dieser Kunst kostet ein Knödel so wie die meisten anderen Beilagen 4,50 Euro. Vielleicht will man nur den einheitlichen Soßengeschmack nicht verfälschen. Knödel ohne Erdäpfelgeschmack sind locker und saugfähig, Knödel ohne Semmelgeschmack in der Regel zu fest.

Bratensoße zu Schweinsbraten, Haxn und Spanferkel gibt es reichlich. Wegen der Gefahr von Trockenheit und Festigkeit bei diesen Braten bevorzuge ich aber im Lauf der Zeit das als Bierbratl benannte Wammerl, ein Bauchfleisch mit Fettanteilen. Dazu gibt es jedoch so wenig Soße, dass diese nicht einmal für den einen Semmelknödel reicht. Kellner hatten mich schon darauf hingewiesen, für mehr Bratensoße gemäß der Speisekarte zwei Euro zusätzlich verlangen zu müssen. Wahrscheinlich rechtfertigt sich der Preis durch die Bezeichnung hausgemachte Natursoße. Gespannt bin ich, wann das Bayerisch Kraut beim Bierbratl eingespart wird.

Wammerl, Schweins- und Spanferkelbraten werden im Regelfall im Stück gebraten und dann in Scheiben serviert. Im Hofbräuhaus ist das jedoch ein Glücksfall, weil auch zwei bis drei Fleischteile in unterschiedlichen Größen, Formen und Vertrocknungsgraden von verschiedenen Bratenstücken mit einem nicht dazugehörenden Krustenteil auf einen Teller gelegt werden. Ausnahmen können aber alle Regel- und Glücksfälle bestätigen.

Traditionell zu einigen Gerichten gehörende, früher lange Zeit übliche Beilagen werden auf der Speisekarte empfohlen, müssen jedoch gesondert bestellt und bezahlt werden, z. B. Sauerkraut zum Schweinsbraten, Krautsalat zum Spanferkel und Blaukraut zum Sauerbraten. Dabei ist das Sauerkraut nach meinem Geschmack gelegentlich zu verkocht und zu wenig mit Zutaten verfeinert. Die Portionen für zusätzlichen Krautsalat oder Blaukraut sind groß, rechtfertigen aber trotzdem nicht den Preis von 4,50 Euro. Zum endgültigen Luxusgut ist der Tomatensalat für diesen Preis geworden.

Dem hausgemachten Kartoffelsalat würden frische Beigaben wie Gurken und Zwiebeln guttun. Grund für das Weglassen ist vermutlich die Haltbarkeit, die mit frischen Zusätzen beeinträchtigt, aber mit erlaubten Konservierungsstoffen gefördert wird. Sogar der Kartoffelsalat ist mit Farbstoff und Antioxidationsmitteln verbessert. Bei Brühen ist nicht zu schmecken, ob man es mit Rinder- oder Gemüsebrühe zu tun hat. Meerrettich wird nur in Ausnahmefällen frisch gerieben serviert, z. B. ausgeraucht zum Tellerfleisch. Als zusätzliche Beilage kostet er zwei Euro.

Bei Speisen ist eine Einheitlichkeit im Hofbräuhaus festzustellen, die mehr nach Fließband und Massenabfertigung als nach Handwerk und Qualität schmeckt.

Bayern

Zum guten Geschmack gehören in Bayern die Herkunft und die Bezeichnung der Speisen. Beim Schweinsbraten handelt es sich wahrscheinlich um ein Gericht mit Fleisch von mehreren Schweinen, weil er als Schweinebraten bezeichnet wird. Tellerfleisch, Rindergulasch und Sauerbraten werden auf der Speisekarte mit Fettschrift vom deutschen Rind angeboten.

Sprachverderber haben wohl übersehen, dass sich das Hofbräuhaus auf bayerischem Staatsgebiet befindet. Wir wollen doch den Preußen nicht ihre Rindviecher wegnehmen. Es reicht schon, wenn sie Schweinefleisch aus zweifelhaften Fleischkonzernen nach Bayern exportieren. Wenigstens bietet man noch das Schnitzel vom bayerischen Kalb und ein bayerisches Spanferkel an. Bei Schweinen und Hendl gibt es keine Herkunftsangaben. Fleischverzehr wird immer fragwürdiger und hat nicht nur im Hofbräuhaus, sondern insgesamt den Geschmack verloren.

Weitere Verluste befinden sich auf der Speisekarte mit einigen Wörtern der bairischen Sprache, z. B. Erdäpfel und Kren. Immerhin werden im Hofbräuhaus keine Gerichte wie Pizza und Burger angeboten, obwohl sie Touristen bestellen wollen.

Bayrische Produkte, Traditionen und Lebensart müssen im Hofbräuhaus erhalten werden so wie die bairische Sprache.

Bier

Gleichbleibend gut ist das Bier im Hofbräuhaus. Ich bezeichne es als vollmundig und eher herb. Wasser als Hauptbestandteil kann man im Gegensatz zu vielen üblichen Bieren nicht mehr schmecken. Die Bierpflege ist trotz Automatisierung so gekonnt, dass Hofbräubier im Hofbräuhaus besser schmeckt als in weiteren Wirtshäusern oder Biergärten dieser Brauerei. Für mich übertrifft es geschmacklich sogar den Holzfassausschank anderer Münchner Brauereien.

Der Bierpreis hat traditionelle Besonderheiten. Eigene Hofbräuhaus-Bierzeichen verlieren den Gegenwert einer Maß Bier auch bei Preissteigerungen nicht. Stammgäste bekommen beim Kauf von zehn Bierzeichen das Elfte geschenkt. Diese ungeschriebenen Gesetze sind wohl unantastbar. Mit der Preisgestaltung von Getränken insgesamt kenne ich mich nicht aus, weil ich im Hofbräuhaus nur Bier trinke.

Bier im Hofbräuhaus München ist ein weltweit einmaliger, hervorragender Genuss.

Der Biergenuss wird nach 18:00 Uhr etwas getrübt, weil Helles nur noch in Maßkrügen mit einem Liter bestellt werden kann. Das entspricht keinerlei Tradition, sonst müsste es ganztägig erfolgen, und ist reine Geldschneiderei. Als Bayer muss man sich schämen, wenn Personal auswärtigen Gästen – vor allem den weiblichen – diese Pflicht mitteilt und auf den Oberkellner verweist. Besonders absurd ist dieser Unsinn in der Krise, weil mit den Maßkrügen bei reduziertem Platzangebot keine Serviceerleichterung bewirkt wird.

Ein urbayerisches Gesetz ist das Bierfilzl, welches zurzeit aus Hygienegründen nicht auf den Tischen liegen darf. Hoffentlich wird das bald zurückgenommen. Bei der Wiesn sind es vorgeschobene Umweltgründe gewesen, die natürlich nebenbei eine Einsparung bewirken. Auf Tischen entsteht eine Sauerei, weil das Personal die Wasserpfützen diskret übersieht. Gäste müssen sich selbst mit Papiertaschentüchern oder Servietten behelfen. Vor der Krise konnte man unsinnige Einsparungen mit Umwelt und heute mit Hygiene begründen.

Musik

Geschmackliche Mängel und Sparen zum Geldverdienen mit Touristen hatte man natürlich in der gesamten Altstadtgastronomie angetroffen. Für mich zeichnete sich das Hofbräuhaus durch das hervorragende musikalische Angebot aus.

Musikantenbühne in der SchwemmeVor der Coronakrise gab es in der Schwemme täglich zwei Konzerte mit Festkapellen bei freiem Eintritt. Dieses Angebot war wohl weltweit einmalig und entwickelte sich zur Pflicht für das Hofbräuhaus. Die jährlichen Kosten dafür bewegten sich überschlagsmäßig bei einer Million Euro. Solche Ausgaben waren sicher das Gegenteil von Sparen, aber eine Voraussetzung für den touristischen Erfolg des Hofbräuhauses vor der Krise.

Bei der Biergartenöffnung am 18. Mai 2020 war die Personalterrasse von den Zuaweziagan und Josef Zapf erobert worden. Danach gab es einige Bräuhaus- und Obermüller Musikanten im Biergarten und ab 25. Mai 2020 in der Schwemme. Diese Auftritte wurden aber als Veranstaltungen verboten.

Lautsprecher in einer Säule der MusikbühneDie Verstärkeranlage erzeugte mit Lautsprechern einen mehr oder weniger passenden, lauten Musikbrei. Statt Musik von den jetzt zwangsweise aussetzenden Festkapellen auf CD anzubieten, gab es eine gleichförmige Dauerberieselung, die heimatdümmlich klang und von keinem besonderen Interesse für Heimatmusik zeugte. Wirtshausmusik gilt in der Krise als verbotene Veranstaltung. Wenn anderswo trotzdem musiziert wird, dann haben sich Konkurrenten vermutlich nicht beschwert – wo kein Kläger, da kein Richter.

Seit 22. Juni 2020 spielen Obermüller Musikanten wieder auf der Personalterrasse über dem Biergarten oder auf der Musikbühne in der Schwemme. Es dürfen aber aus Abstandsgründen nur drei Personen musizieren und aus fragwürdigen Gründen keine Blasinstrumente benutzt werden. Dabei ist nicht abzusehen, wann das Veranstaltungsverbot aufgehoben wird und keine Beschränkungen bestehen bleiben. Am 9. Juli 2020 erlebte ich wieder eine großartige musikalische Stimmung im Biergarten mit Iris Gallecker an der Trompete und Begleitung von Tuba und Ziehharmonika. Seitdem sind wieder Blasinstrumente zu hören.

Die Wirtshausmusik in allen Räumlichkeiten des Hofbräuhauses ist ein hervorragendes traditionelles Angebot und steht außerhalb jeglicher Qualitätskritik.

Göttliches

Nach glaubwürdigen Aussagen ist der wirkliche Engel Aloisius bereits mehrfach Festgästen im Hofbräuhaus erschienen. Schließlich kommt er laut liebem Gott und Ludwig Thoma jede Woche ein paarmal nach München. Einige seiner aktuellen göttlichen Ratschlüsse und Eingebungen für die Bayerische Staatsregierung sind:

  • Das staatliche Hofbräuhaus muss bayerische Traditionen bei Raumausstattung, Speisenauswahl und Musikangebot wie vor der Coronakrise bewahren.
  • Gastlichkeit für einheimische Münchner und Bayern, Platzangebote, Speisenqualität, Preise und Personalanstellung dürfen nicht weiterhin in fragwürdige, zweifelhafte Richtungen entwickelt werden.
  • Ziel des Staats und der Bewirtschaftung darf mit und nach Veränderungen durch Corona nicht mehr Wachstum sein, sondern muss Qualität werden.

Persönliches

Von 14. Oktober 2015 bis zur Coronaschließung am 17. März 2020 waren die Gründe für meine 526 Hofbräuhausbesuche die Musik, das Fotografieren und die sich entwickelnde Gemeinschaft der Festgäste. Bei den Besuchen ergab sich eine durchschnittliche Zeche von 40 bis 50 Euro einschließlich der Speisen. Der Gesamtbetrag ist überraschend hoch, ich konnte und hatte ihn gerne ausgegeben.

Ich wünsche mir noch viele Hofbräuhausbesuche, aber mit Beibehaltung der Musik, frischem Speisenangebot und einheimischen Gästen. Touristen suchen zeitlich begrenzt nach Lebensverhältnissen, Unterhaltungsmöglichkeiten und Freiheiten. Diese sollen sie jedoch wegen der Pandemie und sogar ohne Corona besser in ihrer Heimat schaffen.

Liederheftl vom Bavaricus mit dem schönen Titel: Zamsinga im HofbräuhausSollte es künftig zu Sparmaßnahmen bei der Musik kommen, dann bleibt uns noch das kommende Liederheftl vom Bavaricus mit dem schönen Titel: Zamsinga im Hofbräuhaus. Vielleicht hat er die Krise beim Genießen des hervorragenden Hofbräubiers schon geahnt, oder er ist ein Hellseher, oder er war bei einer Wahrsagerin? Ich trau ihm alles zu und werde ihn demnächst wie der Valentin auf dem Oktoberfest fragen, ob ein Hellseher auch in der Nacht hellsehen kann. Jedenfalls hat er schon vorher gewusst, dass Festgäste künftig ein Liederheftl brauchen.

Links zu Fotoalben

Schluss

Ich stelle fest, dass meine Mitteilungen etwas umfangreich geworden sind, aber weniger schreiben ist schwerer als viel. Gerne würde ich bald wieder das Monatsprogramm mit den Festkapellen anbieten. Wer jetzt die E-Mail von Anfang Juni mit diesem Beitrag verglichen hat, bemerkt, dass der ursprüngliche Text mit Gestaltung und Bebilderung sowohl inhaltlich erweitert als auch optisch an das Leseverhalten der Internetnutzer angepasst worden ist. Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen im Hofbräuhaus und wünsche eine gute Zeit mit einer sinnvollen Bewältigung der Krise.

Herzliche Grüße

Josef I. der Daheimbleibende

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