Ansichten vor der Haustür 2020

Ansichten vor der Haustür 2020
Englischer Garten  
Bachwege
Biergarten
Burgfriedenweg
Carl-Theodor-Straße
Carl-Theodor-Wiesen
Chaostag
Chinaturm
Dianabadschwelle
Elektromobil
Entenvolierebach
Fliederblüte
Kastanienblüte
Lehel Nord
Löwenzahnwiese
Müll
Ökonomie
Orangerie
Restaurant
Schwabinger Bach
Spiegelungen
Tivoligarten
Tivoliweg
Tivoliweiher
Tucherpark
Wiesenwege
Eisbach und Theodorparkstraße  
Abstandslos
Eisbach
Fahrradleichen
Gehweghocker
Lärmstörer
Lebensmüde
Maskenlos
Neopren
Plastikmüll
Unterkühlung
Musikanten und Trachten  
Adi Stahuber und
die Isartaler

Festkapelle Mathias
Achatz

Hochplatte Buching – Oberer Lechgau
Hofbräu Oberwiesenfeld
Langenpettenbacher und Lauterbacher
Otterfinger und Westerhamer
Schöffeldinger
Musikanten im Hofbräukeller
Fensterblicke am Tivoli  
Chinaturm
Container
Fernblicke
Frühling
Herbstlaub
Kastanienbäume
Laub und Licht
Lichtverschmutzung
Misteln
Nachbarbaum
Nacht
Regen
Uni
Vögel
Wetterpanorama

2020 waren für mich viele Fotomotive weggefallen, z. B. Volksfeste, Hofbräuhaus, Musikantenstammtische, Brunnenfest, Oide Wiesn. Zudem fehlten mir Motivation und Zeit für ein neues Fotobuch. Das Virus, die Beschränkungen, die benachbarte Socceranlage, das Hofbräuhaus und die Geschichte des Tivoli hatten mich mit Texten beschäftigt. Ich gab einige Themen und Titelideen für ein Fotobuch wieder auf, weil mir das Heitere, Positive und Aktuelle fehlte. Eine Fotoauswahl mit Vergangenem über die HB-Schwemme oder die montäglichen Musikantenstammtische im HB-Bräustüberl wollte ich nicht präsentieren. Personal mit Masken und Musikanten mit Abstand wären keine gute Idee gewesen. Da warte ich lieber auf bessere Zeiten.

Trotzdem gab ich 2020 das Fotografieren nicht auf. Im Frühling entstanden bei 18 Fotorundgängen im Viertel und im Englischen Garten 1480 Fotos in 26 Ordnern. Hinzu kamen Fotos zur Eisbachproblematik im Sommer. Ich fotografierte die natürliche Schönheit des Landschaftsgartens im Gegensatz zur Nutzung von Wiesenflächen als Treffpunkte ohne Abstand, aber mit Müll. Meine Fensterblicke auf den Eisbach und die Theodorparkstraße sollten Lärm, Gefahr und fehlenden Infektionsschutz dokumentieren. Schließlich gab es doch noch erfreuliche Fotos mit Blasmusik und Volkstanz am Ende des Sommers, wobei die Veranstaltungen des Vereins Festring München mit dem Titel Sommer in der Stadt 2020 hervorragend waren. Dort konnte man sich höchstens mit dem Virus Volkskultur und Volksmusik infizieren.

Musik und Tanz habe ich natürlich nicht direkt vor der Haustür fotografiert, aber in der Entfernung von Fußwegen. Die Haustür muss somit im übertragenen Sinn verstanden werden. Ansichten als unbestimmte Mehrzahl verwende ich gerne wegen der zweifachen Inhalte: persönliche Meinungen und Abbildungen. Außerdem sind Ansichten keine Festlegungen im Sinn von Einstellungen, sondern mit Freiheit veränderbar – sowohl im Blick auf den Wandel der Meinung als auch auf die Vielfalt des Schauens.

Jetzt höre ich mit der Wortklauberei auf, obwohl sie mir Spaß macht. Mein Schreiben ist aber nicht nur für mich, sondern auch öffentlich. Niemand muss mit allem einverstanden sein, was ich sprachlich und fotografisch von mir gebe. Ein wenig passe ich mich natürlich an. Meine Absicht ist nicht, Personen zu zeigen. Ich will lediglich Situationen im Sinne von Panoramafreiheit und Zeitdokumentation darstellen. Zu letzterem gehören 2020 leider auch Polizeieinsätze, die ich für notwendig und angemessen halte.

Ich veröffentliche meine Fotosammlung, weil sie ein Zeitdokument für das Krisenjahr 2020 ist. Dabei haben die Fotos nicht den Charakter einer herzeigbaren Ausstellung. Es geht nur um die Zusammenfassung des Einblicks in eine Werkstatt. Vollständigkeit und Qualität sind nicht wichtig. Die Fotos sollen meine Motivdenken bei Spaziergängen in der nahen Wohnumgebung zeigen. Dort ist der Englische Garten leider kein Landschaftsdenkmal und Naturschutzgebiet geblieben, sondern zum Sport- und Müllplatz geworden.

2020 war für alle ein besonderes Jahr. Ich habe wegen der krisenbedingten Ausgangsbeschränkungen wieder mit dem Spazierengehen am Tivoli und im Englischen Garten angefangen. Als der Frühling endete, Beschränkungen schrittweise aufgehoben wurden und die Wirtshäuser wieder öffneten, wurde mir die Gesellschaft im Biergarten des Hofbräuhauses wichtig. Das zu Fuß gehen und Fotografieren behielt ich aber bei.

Auf die Leere im Englischen Garten folgte eine massenhafte Nutzung. Diese empfand ich als ärgerlich, weil vielfach gegen den Infektionsschutz verstoßen wurde. Dazu kam das Geschrei der Eisbachschimmer, welches immer unerträglicher wird – nicht wegen des Ruhebedürfnisses der Anwohner, sondern weil die Störungen zunehmen. Vor zwanzig Jahren waren die Eisbachschimmer ein harmloses Phänomen, heute wird fast nur noch in Massen geplärrt.

2020 fand ich keinen Einstieg in ein Fotobuch-Projekt, weil ich viel lieber etwas Neues ohne negative Inhalte machen wollte. Die Naturschönheiten des menschenleeren Frühlings wären mit dem Titel Frühling im Park möglich gewesen. Ich erkannte den Gegensatz von Leere und Masse als Inhalt für ein Buchprojekt, das beispielsweise Kastanienblüten und Menschen gleichzeitig betrifft. Diese Beispiele hätten vielfältig inhaltlich erweitert und bildhaft dargestellt werden können. Die Freude über die Natur hätte ich aber mit dem Ärger über die Auswirkungen von Menschenmassen verbinden müssen.

Aus dem Titel Frühling im Park ist dann ein Krisenfrühling mit Ballerbach und Ballerwiese geworden. Gemeint war der Ballermann im Eisbach und auf der Großen Carl-Theodor-Wiese. Ballermann als Schusswaffe und als Bezeichnung für Formen von exzessiven Partys mit Saufen, Lärm und Müll sind bekannt. Heute beschränkt sich diese Unkultur nicht mehr auf den Tourismus, sondern wird direkt vor der Haustür ausgeübt. Also sind viele Wortzusammensetzungen mit dem Bestandteil Baller möglich geworden, z. B.

  • Ballerplatz für Gärtnerplatz und Wedekindplatz
  • Ballerstrand für Isarufer zwischen Deutschem Museum und Flaucher und im Besondern zwischen Reichbachbrücke und Wittelsbacherbrücke
  • Ballergarten für südlicher Englischer Garten
  • Ballerwiese für Große Carl-Theodor-Wiese
  • Ballerbach für Eisbach

Die Bezeichnungen haben sich noch nicht durchgesetzt, aber das Ballermäßige schon. Dieses betrifft in meiner nahen Wohnumgebung eine schöne, große Wiese mit dem Namen des Kurfürsten, in dessen Regierungszeit der Englische Garten 1789 gegründet worden ist. Übrigens hat auch der Stachus offiziell seinen Vornamen bekommen. Außerhalb des Englischen Gartens verläuft die Straße am Eisbach mit seinem Nachnamen, der die ursprüngliche Bezeichnung für den Volkspark war. Gemeint sind Karlsplatz und Theodorparkstraße.

Der Englische Garten war nicht nur ein Geschenk für das Volk, sondern auch ein Kind der Angst des Adels vor Revolution wie in Frankreich. Die Bezeichnung Englisch meint dabei nur die Gestaltung als Landschaftsgarten im Gegensatz zum barocken Schmuckgarten wie dem Hofgarten. Dort würde der Freistaat Bayern sicherlich keine Ballermann-Verhältnisse zulassen.

Für die gegenwärtige Partyrevolution eignet sich schon eher eine große Wiese in einem großen Park. Diese wird vom Volk im Volkspark besetzt, so wie das Volk bei einer Revolution das Eigentum der Reichen übernimmt. Das Volk bemächtigt sich dieser Wiese mit Massen, Lärm und Müll. Fragt man sich, wer dieses Volk ist, so scheint es sich äußerlich nicht um traditionelle Bayern zu handeln. Ein deutsches Volk kann es auch nicht sein, weil es das nicht gibt, sondern nur die Staatsbürgerschaft.

Natürlich darf man nicht schreiben, dass es überwiegend jugendliche Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund sind, sondern Personen aus der Party- und Eventszene. Mit diesen kam es in München aber noch zu keinen Gewaltexzessen wie in anderen Städten. Bei abstandbedingten Räumungen berichtete die Münchner Polizei immer von Einsicht. Insgesamt bestand sogar ein gewisses Verständnis für Massentreffpunkte im Freien, weil die Vergnügungsgastronomie und das Veranstaltungswesen virusbedingt nicht möglich waren.

Unverständlich war für mich, dass Infektionsschutzverordnungen bestanden, obwohl auf Parkwiesen und im Eisbach vieles geduldet wurde. Nach meinen Beobachtungen und Fotos gehörten zum Ballern im Park auch menschliche Ausscheidungen in der Öffentlichkeit sowie Saufen und Drogenkonsum. Beim Schreien im Eisbach war sogar Heiserkeit wegen des Gebrülls wahrzunehmen. Mit der Trambahn wurde dann selbstverständlich ohne Maske zurückgefahren. Pfui Deife!

So kann ich aber diesen Beitrag nicht abschließen. Wir befinden uns in der Weihnachtszeit 2020 und in der zweiten Welle mit Ausgangsbeschränkungen. Drei Jahreszeiten mit dem Virus sind schon vergangen. Der Winter mit dem Aufenthalt in Innenräumen macht alles schlimmer als vorher. Ich bin froh, wenn 2020 und dieser Winter vorbei sind. Den Gästen von Tivolifoto danke ich für die vielen Besuche und Rückmeldungen. Meine Wünsche sind natürlich zuerst Gesundheit, dann eine schöne Weihnachtszeit und das Beste für 2021.

4 Kommentare

    • Lieber Wolfgang,
      ich freue mich, dass Du hier öffentlich kommentierst. Weitere Kommentare von Dir sind künftig sofort sichtbar. Deine zunehmende Reaktion auf meine Online-Aktivitäten gefällt mir – vielen Dank. Langsam wird es Zeit, dass wir uns wieder treffen können. Ich fürchte, wir müssen uns aber bis zum Frühjahr gedulden.
      Herzliche Grüße
      Sepp

    • Liebe Ute, Danke fürs Vorbeischaun und die Wünsche, die ich natürlich auch für Dich habe: Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr. Herzliche Grüße, Josef

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