Ideengeber für dieses Fotobuch oder die Fotostrecke war die Position des Fahnengrußes beim Gaufest des Isargaus 2019 in Ismaning. Die Veranstalter hätten sich für diese traditionelle Handlung keinen besseren Gegensatz als das Break-Dance-Fahrgeschäft im Hintergrund auswählen können. Jede andere Stelle wäre besser gewesen. Das Missverhältnis kommt davon, wenn man etwas nur aus eigener Sicht wahrnimmt und nicht aus der Perspektive des Betrachters oder Fotografen. Dieser Hintergrund hatte mit einem Trachtengaufest genau so viel zu tun wie der Himmel mit der Hölle. Die Hölle ist zwar abgeschafft worden, sie besteht aber auf der Erde weiter. Bloß haben die Menschen keine Angst mehr vor Höllenqualen, sonst würden viele in der Öffentlichkeit andere Kleidung und Nahrung bevorzugen. Außerdem wäre das festliche Zusammensein von traditionellen kulturellen und musikalischen Mitteln bestimmt.
Feste von Trachtengauen sind meist in Volksfeste eingebunden. Dabei entsteht ein Spannungsfeld mit Gegensätzen, die einfach wahrnehmbar und fotografisch festzuhalten sind. Insofern ist dieser Beitrag ein Nebenprodukt meiner Fotos bei Festzügen. Als die Idee geboren war, besuchte ich gezielt Volksfeste mit Partymusik als Veranstaltungsteil, z. B. Cagey Strings in Lohhof, Fetzentaler in Karlsfeld, Austria Projekt in Großhadern und Nachtstark in Harlaching. Meine fotografierten Festzüge waren in Menzing, Baierbrunn, Murnau, Unterföhring und Ismaning. Bei allen Besuchen ist eine große Fotosammlung entstanden, die verschiedene Blickwinkel für diesen Beitrag ermöglicht. Hinzu kommen Fotos von der Oidn Wiesn in den Festzelten Tradition und Schönheitskönigin. Das weltweit größte Volksfest oder die fragwürdigste Partyveranstaltung mit dem Trachtenfasching Oktoberfest meide ich, weil es für mich tiefer als die Hölle liegt.
Mit oder ohne Tracht ist mittlerweile kein Unterscheidungsmerkmal für Himmel und Hölle. Es kommt auf Originalität und Qualität an. Die meisten Partygänger bevorzugen billige Dirndlgwander und Lederhosen oder das, was sie für Tracht halten, z. B. Kunststoffe, die in Asien billig hergestellt und verarbeitet werden. Wegen dieser minderwertigen Einheitskleidung ist aus dem Volksfesthimmel kein Trachtenhimmel, sondern eine Partyhölle geworden. Gewinnorientierte Unternehmer bieten tagsüber Blasmusik und abends Partymusik an. Die ältere Generation soll mittags und nachmittags abkassiert werden, die jüngere am Abend. Mit Volks- und Familiengemeinschaft hat das nichts zu tun. Es geht nicht um Förderung von Volkskultur und Gemeinschaftsleben, sondern um Geld.
Am besten ist dies beim Speisenangebot zu erkennen. Früher hatten Schweinswürstl der ortsansässigen Metzgereien und Volksfestwirte noch würzig und nicht nur fett geschmeckt. Käse wurde noch frisch geschnitten, gewürzt und nicht vorportioniert gekühlt. Hendl kamen frisch vom Spieß und waren nicht mehrfach gegrillt und warmgehalten – also nicht mit verschrumpelter Haut und trockenem, faserigen Fleisch serviert. Brezn gab es noch im schmackhaften Kleinformat aus der nächstgelegenen Bäckerei.
Festwirte, Küchen- und Servicepersonal waren noch angesehene Personen, die am Ort einen guten Ruf zu verlieren hatten. Heute sind Volksfestbetreiber überregionale Unternehmer ohne lokale Identität, aber mit erheblicher Qualitätsstreuung und Billigprodukten.
Gegensätze entwickelten sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Jugendliche verstehen zurzeit wohl kaum mehr, dass auf Volksfesten sitzengeblieben und mitgesungen worden ist. Heute steigt man auf Bänke, grölt, plärrt oder schreit. Die traditionelle Blasmusik ohne Verstärkung wird zwar angeboten, das Geschäft macht man aber mit der Partymusik. Das Prinzip Partyband ist wie eine Seuche. Personen und Inhalte sind austauschbar und breiten sich aus. Beispielsweise kenne ich Cagey Strings seit 40 Jahren, und aus der Originalbesetzung ist niemand übrig geblieben. Das ist kennzeichnend für viele Partybands. Bei Blaskapellen gibt es auch Wechsel, Austauschbarkeit und Spielen in mehreren Gruppen. In der Regel halten traditionelle Musikkapellen aber zusammen und musizieren nicht nur wegen des Verdienstes, sondern auch wegen Spielfreude und Gemeinschaft. Mittlerweile ist Blasmusik bei der Jugend wieder modern geworden. Dabei wird jedoch vieles vermischt und gelegentlich oder vorsätzlich auch übertrieben. Die Grenzen haben sich verschoben. Findige Musikanten und junges Publikum haben erkannt, dass man mit Blasmusik auch Party machen kann.
Insgesamt will ich Gegensätze zwar aufzeigen, aber nicht vertiefen, sondern Verbindungen anbieten. Der Himmel und die Hölle brauchen sich also und gehören zusammen wie Volksfest und Party. Der Beitrag ist ohne Worte, weil ich glaube, dass die im Titel ausgedrückte Verbindung und der Gegensatz bei den Bildseiten einfach wahrnehmbar sind. Manchmal steht sich beides im Fotobuch als Doppelseite gegenüber oder folgt in der Fotostrecke aufeinander. Gelegentlich braucht der Gegensatz mehrere Seiten. Leicht zu erkennen ist ein Gegensatz in einem Bild. Die Bezeichnung der Personen und Orte ist nicht wichtig, weil sich Szenen und Motive bei vielen Festen wiederholen. Der Beitrag hat keine Texte zu den Bildern, in der Online-Fotostrecke bekommt man aber durch das Title- und Alt-Attribut Informationen zu den Fotos. Ich danke meinen Fotomotiven für die Bereitschaft und manchmal sogar für die Aufforderung zum Fotografieren. Mein besonderer Gruß geht an die Damengruppe, die Willi Michls Wir fahren mit dem Bob so herrlich mitgemacht hat, aber auch an einzelne, die fast ein wenig posiert haben. Ich habe ihnen die Tivolifoto-Visitenkarte gegeben und hoffe, dass sie sich hier sehen.
Meine Gegensätze und Verbindungen lassen Vorlieben und Wünsche erkennen. Ich bevorzuge traditionelle Blasmusik, bin aber auch für gscheide, festliche Gaudi zu haben. Übertreibungen lehne ich ab, z. B. Auf-Bänken-Stehen, Maßkrug-Klopfen, Schreien, Saufen. Gegenüber Wirten und Personal halte ich mehr Kritik für notwendig, weil das sich gefallen Lassen verminderte Qualität bewirkt.




















































