Magazin für Fotobücher, Fotostrecken,
Fotoalben, Geschichten und Ausnahmen
Altbayerische Onlineschau
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“Gar ned krank is a ned g’sund” hatte schon der große Münchner Philosoph und Hypochonder Karl Valentin erkannt. Dabei machte er sich nicht über Krankheiten lustig, sondern sah diese als ernsthafte Probleme an. Außerdem wusste er: „Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen.“ In den zwei Aussagen geht es um Krankheit und Wiederholung oder um krankhafte Wiederholung. Weil eine Krankheit aber nichts taugt, wenn sie keinen lateinischen Namen hat, nenne ich sie Repetitionsphobie. Die exakte fachwissenschaftliche Bezeichnung ist chronisch rezidivierende Repetitionsphobie mit multifaktoriellem Kausalkomplex. Jetzt sind Sie dran!
Wenn man etwas nicht weiß, wird mittlerweile im Internet danach gesucht. Üblicherweise bekommt man ungefähr zigtausend Ergebnisse, meine Repetitionsphobie wird aber nicht gefunden. Es gibt sie nicht einmal bei der Liste von Phobien oder Angststörungen der Weltgesundheitsorganisation. Meine Krankheit muss also zwangsläufig äußerst selten sein. Bei Wiederholungsangst wird das Internet schon konkreter und meint die Angst davor, dass sich etwas Unangenehmes wiederholt. Meine Phobie ist jedoch schlimmer, weil sie das Angenehme ebenfalls betrifft.
Ich beneide Menschen, die keine Scheu vor Wiederholungen in Gesprächen haben und einfach drauflosquatschen als hätten sie etwas zu jemandem noch nie gesagt. Meine Zurückhaltung gebietet mir hingegen zuerst die Überlegung, ob ich das zu jemandem schon gesagt hätte. Andere denken dann: Jetzt sagt er wieder nichts. Dabei ist das nur der Ausdruck meines Denkvorgangs im Sinne einer höflichen Rücksichtnahme auf den Gegenüber. Preußen sprechen bekanntlich Denkvorgänge mit, als Altbayer wird man dagegen mit der Bekanntgabe von Ergebnissen nicht selten nachteilig eingeschätzt. Jetzt erschließt sich die Vielschichtigkeit der Probleme. Glückselig sind doch die Nixscheißerden, welche einfach drauflosquatschen ohne irgendeine Angst vor Wiederholung.
Berechtigterweise kann man nun die Frage stellen, was das mit dem 8. Brunnenfest auf dem Viktualienmarkt 2019 zu tun habe. Ich antworte natürlich sehr, sehr viel. Von den acht Festen habe ich sechs fotografiert und mit mehr oder weniger geistreichen Belgleittexten versehen. Beim achten Brunnenfest ist mir einfach nichts mehr zum Schreiben eingefallen. Über diesen Sachverhalt könnte ich jetzt natürlich anfangen, zu granteln und die Veranstaltung total verreißen. Das wäre einfacher als eine Lobeshymne. Ich wollte aber das Problem der Einfallslosigkeit ergründen und stellte fest, dass es sich um die besagte Krankheit handeln müsse – also um meine wiederholt auftretende Wiederholungsangst mit einer durch viele Einflüsse bedingten Vielschichtigkeit der Ursachen.
Es macht mich krank, weil ich zu den Brunnenfesten schon alles fotografiert und geschrieben habe. Den Tageszeitungen ist das wurscht, weil sie eh nichts mehr zu dieser höchst münchnerischen Veranstaltung schreiben. Andere Internetangebote wiederholen sich einfach und kopieren Texte und Teilnehmerlisten aus den Vorjahren.
Ich muss mir natürlich wieder die Arbeit machen, einen neuen Text zu schreiben und eine eigene Fotostrecke zu gestalten. Wenn ich aber etwas mache, dann mache ich es wegen meiner Repetionsphobie gescheit und zu einer gescheiten Kunstform. Schließlich will ich ja mit Tivolifoto München weltberühmt werden.
Bei meiner Kunst müssen Wörter, Textinhalte und Fotomotive solange wiederholt werden, bis der Letzte meine Kunst verstanden hat. Das ist viel schwieriger als abstrakte Kunst, weil man noch schwieriger auf das Gemeinte dahinterkommt und den Zusammenhang mit der Krankheit nicht gleich erkennt. Bei der Oidn Wiesn 2018 und bei Festzügen 2019 habe ich noch wortlose Fotoalben statt Fotobücher ins Internet gestellt. Zum Brunnenfest 2019 wollte ich zunächst trotz vieler Fotos keinen Begleittext schreiben, bis mir bewusstwurde, dass ich krank bin, dies natürlich öffentlich mitteilen und dagegen im Sinne einer Therapie vorgehen muss. Bei wirklich Kranken bitte ich jetzt um Verständnis für meinen Schmarrn und gebe zu Bedenken, dass Anregungen zum Schmunzeln und Lachen der Gesundheit dienen.
Jegliche Therapie meiner Repetitionsphobie ist dagegen eine äußerst schwierige Angelegenheit – noch schwieriger als die Diagnose, weil man durch Übertreibung oder Vernachlässigung der Kunstform schadet. Außerdem kann es zu Komplikationen und Resistenzen kommen. Förderlich hingegen sind Originalität und Alleinstellungsmerkmale. In medikamentöser Sicht ist die richtige Dosis von Nahrungs- und Genussmitteln entscheidend, psychosomatisch der verträgliche Umgang mit mehr oder weniger selbst gestörten Mitmenschen.
Auf gar keinen Fall braucht man den, von der Stadtverwaltung vorgeschriebenen, herumlungernden Sicherheitsdienst, wie er auf dem Brunnenfest 2019 zu beobachten war. Ein fragwürdiger Brunnenpate war Joe Heinrich, weil er seine Ansagerei zur aufdringlichen Selbstdarstellung missbrauchte und den Künstlern Pointen wegnahm. Bedenklich waren die Abwesenheit der Königin der Brunnenfeste, Bettina von Haken, und Auftritte, die nicht an anderen Brunnen wiederholt wurden. Jürgen Kirner und Manfred Klein zeigten beständige Originalität und Qualität. Die Veranstaltung wäre den Künstlern aber noch gerechter geworden, hätte man den ungefähren zeitlichen und örtlichen Rahmen der Programmpunkte bekanntgegeben.
Höchstes Lob verdient wie immer der Blumenschmuck der Brunnen, wobei Liesl und Ida 2019 etwas mehr Ausdrucksstärke gebraucht hätten. Dafür hat es der Ferdl diesmal auf das Titelbild geschafft, und der Jackl ist mit seiner phantastischen Schleppe auf der Strecke geblieben, weil sie zu schön war, aber nicht zu ihm gepasst hat. Ida und Valentin konnten in der Fülle schwelgen. Wenn Sie sich jetzt fragen: „Was hat denn der eigentlich geschrieben?“ oder: „Was habe ich gerade gelesen?“, dann dürfen sie nicht an sich selbst zweifeln. In diesem Fall habe ich nämlich alles richtig gemacht. Wünschen Sie sich selbst oder mir ganz einfach: Gute Besserung. Ich wünsche Ihnen: Gute Unterhaltung.
Eine “erfreuliche” Krankheit, die Repetitionsphobie. Ich habe immer wieder Spaß an deinen gekonnten Charakterstudien, und wenn du sie noch 20 Mal wiederholst.
Danke für Deinen freundlichen und lobenden Kommentar. Schön, dass Du den Künstlern und offenbar auch mir einen Charakter zuschreibst, den man studieren kann. Der Wunsch nach 20 Wiederholungen des Brunnenfests gefällt mir, weil ich dann 85 Jahre alt wäre.