Vorstadt-Weihnachtsfeier

Weihnachtsfeier

Das kommt dabei heraus, wenn manche Menschen Englisch lernen. Eine Christmas-Party wird offenbar als höherwertig gegenüber einer Weihnachtsfeier gesehen. In der Verwendung von Wörtern der englischen Sprache erhoffen sich die Urheber eine größere Werbewirkung als bei deutschen Wörtern. Der Spruch befindet sich in der Emil-Riedl-Straße, kurz bevor diese in die Oettingenstraße einmündet. Tagsüber beschleunigen die Fahrzeuge hier meist auf über 50 Stundenkilometer, so dass diese Werbung schnell vorbeifliegt. Im täglichen Stau des Feierabendverkehrs aber kann man den Spruch so richtig genießen. Dann wertet er das Viertel auf und kann somit zu höheren Mieten beitragen. Man ist schließlich mit einer Christmas-Party im Viertel etwas Besseres als die traurigen Gestalten in anderen Stadtteilen, die nur Weihnachtsfeiern haben.

Ich zeige diese Werbung, weil sie in meiner direkten Wohnumgebung ist. Von den Anwohnern, den Gästen, dem Personal und den Betreibern des dazu gehörigen Lokals wird der Unsinn offensichtlich nicht bemerkt. Niemand schämt sich und drängt auf Entfernung oder Veränderung. Somit ist es schon so weit, dass wir zwischen einer Feier mit einem gesamtgesellschaftlichen, besinnlichen, religiösen Hintergründ und einer Party mit eher jugendlichen, beschwingten, vergnüglichen Zusammenhängen nicht mehr unterscheiden. Also füge auch ich mich der öffentlichen Meinung, weil damit bei uns im Viertel zum Ausdruck gebracht wird, dass man hier über jugendliche Leichtigkeit, fremdsprachliche Bildung und Weltoffenheit verfügt. Der Drang zu höherem in der Vorstadt des nördlichen Lehels ist nicht zu übersehen.

Wir haben ja jetzt schon renovierte Siemens-Arbeiter-Wohnungen mit der Bezeichnung Lehel Belvedere und den Luxus-Neubau in der Oettingenstraße 61. Das Park Avenue in der Lerchenfeldstraße wird gerade gebaut, nachdem eine solide 1950er-Jahre-Bank-Immobilie mit durchschnittlichen Wohnungen entmietet und abgerissen worden ist. Im Tucherpark entstehen Gebäude mit den vermeintlich klangvollen Namen Tivoli Garden und Tivoli Office. Hier hatte man ein Glas-Stahl-Gebäude aus den späten 1960er-Jahren beseitigt. Ich bin gespannt, wie lange es meine Eisbach-Residenz mit Blick auf den Münchner Tivoli noch gibt.

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