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Django und die letzten Tage der Rosinante am Aumeister

Rosinante
Aumeister Rosinante 064aa

Was, Sie kennen die Rosinante nicht! Dann waren Sie in letzter Zeit nicht im Münchner Aumeister. An einem sonnigen Frühlingsnachmittag sitze ich mit Django in der ersten Reihe des Fahrradschnellwegs durch den Biergarten am ehemals königlichen Forsthaus Aumeister. Ich frage ihn, ob ihm etwas auffällt. Er verneint und schaut um sich, bis er sie entdeckt. In den letzten Jahren konnten wir uns immer wieder an dem schockfarbenen Plastikkarussell auf dem Spielplatz gegenüber erbauen. Die Kinder und Mütter hatten ebenfalls eine Freude. Jetzt aber gibt es eine Sensation. Rosinante ist da. Endlich erblickt sie Django auch.

Angewidert versucht er sich mit einem Schluck Weißbier zu beruhigen. Er stellt fest, dass wir in einem Münchner Biergarten sind und dass dieser amerikanische Plastikmüll hier nichts verloren hat. Der genaue Wortlaut seiner Äußerungen kann hier nicht wiedergegeben werden. Ich gebe zu bedenken, dass solche Spielgeräte bei den Kindern und Eltern durchaus Anklang finden. Er sieht die Ursache für die Verarschung und Schande durch Plastik im Biergarten bei der Verblödung durch das Primitivfernsehen. Wir einigen uns darauf, dass derartige Apparate vor Supermärkten und Kaufhäusern besser aufgehoben wären.

Was könnte man also unternehmen, um das Vieh wieder loszuwerden? Ein Gespräch mit den Betreibern des Biergartens macht wohl keinen Sinn, weil diese für die Kulturschande im staatlichen Englischen Garten verantwortlich sind. Wahrscheinlich geht es ihnen so schlecht, dass sie zusätzlich zu dem hohen Bierpreis noch Geld mit den Automaten einnehmen wollen. Dass es so sein muss, schimpft Django, sonst hätte man einen bayerischen Schnitzer mit der Herstellung eines heimatlichen Rosses beauftragt. Der Aumeister kann sich offensichtlich neue Spielgeräte aus Holz nicht leisten oder will unbedingt reich werden. Auch hier versuche ich ihn zu beruhigen, weil es in diesem Biergarten angemessene Spielgeräte aus Holz bereits gibt.

Ich schlage vor, höhere Instanzen mit der Angelegenheit zu befassen. Nahe liegend ist die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen mit ihrer Zuständigkeit für den Englischen Garten. Django ist nicht zufrieden und will den Finanzminister hinzuziehen. Ich stelle fest, dass wir uns dann gleich an den Ministerpräsidenten wenden können. Wir verständigen uns darauf, den bayerischen Papst einzuschalten.

Am nächsten Tag sitze ich alleine in der ersten Reihe und höre, wie am Nachbartisch über das Plastikvieh diskutiert wird. Die Bemerkungen sind bösartiger als die Äußerungen von Django. Menschen, denen man so etwas nicht ansieht, planen offenbar einen Anschlag auf das unschuldige Tier. Zuhause beginne ich über die Herkunft des Plastikgauls nachzuforschen. Die Bildersuche im Internet mit den Begriffen Kinderautomaten und Spielplatzgeräte führen mich zur Identität der Maschine. Es handelt sich um einen so genannten Kiddy-Rider, für den offenbar keine deutschsprachige Bezeichnung möglich ist.

Jetzt erst begreife ich, welches große europäische Kulturgut sich hier befindet. Rosinante ist das Pferd Don Quijotes in Miguel de Cervantes Roman Don Quijote von der Mancha. Hierzu gibt es historische Figuren und Darstellungen, die aber mit dem Scheusal aus Plastik überhaupt nichts zu tun haben. Die Rosinante vom Aumeister wurde offenbar von einem amerikanischen Comic-Zeichner entworfen und in Asien billig hergestellt. Es handelt sich somit um beste bayerische Kulturtradition, die praktisch unter den Denkmalschutz fällt. Ein Anschlag auf dieses heimatliche Kulturgut würde sich deshalb direkt gegen Schlösserverwaltung, Hofbräuhaus und den gesamten Freistaat Bayern richten.

Bei meinem nächsten Aumeisterbesuch setze ich mich unauffällig wieder an den Tisch neben den bereits belauschten Attentätern. Ich höre, wie sie sich im Gespräch in einen richtigen Mordrausch steigern. Sie beabsichtigen das arme Tier so in Panik zu versetzen, dass es mitten im Biergarten Pferdeäpfel fallen lässt. Dann wollen sie in bester Sprayer-Laune die Köpfung des Viehs ankündigen und danach durchführen. Der Nachbartisch vereinbart einen Tatzeitpunkt. Die Sache wird mir als Mitwisser zu heiß. Ich weihe Django ein. Er teilt meine Besorgnis um den Staatsschutz nicht und schlägt vor, die Hinrichtung für die Freunde der bayerischen Biergartenkultur mit Fotos und Videos festzuhalten. Wir legen uns nach Biergartenschluss mit den Kameras auf die Lauer, aber es passiert nichts. Offensichtlich hatte ich Maulhelden belauscht.

Jetzt sind wir wieder am Zug. Was sollen wir machen? Das Bier schmeckt uns mit dem Anblick der Rosinante immer weniger. Die Gespräche werden immer einsilbiger. Wir sind ratlos, niedergeschlagen und traurig. Der Biergartenfrühling schreitet fort, und wir gewöhnen uns an das Tier, je öfter wir am Aumeister sitzen. Die Kinder nehmen den Plastikgaul gut an. Sie können nichts dafür, dass man Ihnen solche stromfressenden und geldgierigen Kinder-Automaten-Monster zum bewegungsfaulen Geschaukeltwerden anbietet. Immer wieder müssen wir feststellen, dass die Rosinante kein Pferd, sondern ein Faultier ist, weil sie sich nur bewegt, wenn man einen Euro einwirft und dass sie hässlich ist, weil sie als Reittier die Farbe orange hat. Da fällt Djangos Blick auf das Geweih über dem Eingang der Gasträume des Aumeisters. Sein Gesicht verändert sich, und er wird ganz ruhig. Die eiskalten Augen wandern zwischen den Kopf der Rosinante und dem Geweih hin und her. Ich flehe ihn an: “Tu es nicht! Mach Dich nicht unglücklich!”

Ich bin mir sicher, dass die Untat passiert ist. Bei meinem nächsten Biergartenbesuch sehe ich aber nichts. Nachdem der Frevel seinen Eingang in die Geheimakten der Staatsanwaltschaft und des Denkmalschutzes gefunden hatte, wurde er natürlich umgehend beseitigt. Der Plastikkopf ist wieder an seinem richtigen Platz. Das Ereignis wird in der Öffentlichkeit verschwiegen, aber Django zeigt mir das Beweisfoto.

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