Aumeisterblicke

Für mein 2012er Fotobuch oder die Fotostrecke zum Biergarten am Aumeister verwende ich wieder den Begriff der Blicke. Der Beitrag hat keine direkten Bemerkungen zu den Bildern, sondern nur diesen vorangestellten Begleittext, um dem Anspruch der Blicke gerecht zu werden. Das erste Bild ist vom 7. Januar mit dem Christbaum vor dem Restaurant und der Aumeister-Almhütte. Diese findet sich auch auf der letzten Seite mit Fotos vom 20. Oktober wieder. Vorher geht es aber zu den ersten wärmenden Sonnenstrahlen, dem Goldregen und zum beginnenden Grün in den Büschen Anfang März sowie zur Kastanienblüte im Mai. Später nutze ich die Vielfalt, welche die Bezeichnung Blicke ermöglicht. Man blickt halt einmal dahin und einmal dorthin. Das muss nicht immer sinnvoll sein oder in einem Zusammenhang stehen. Viele Menschen haben jedoch das bewusste, wohlwollende und genussvolle Schauen durch die Abhängigkeit von Medien und Telekommunikation verlernt.

Bei den Blicken mit Personen sollen Situationen dargestellt werden. So ist zum Beispiel beim Hochzeitsfoto nicht das Paar gemeint, sondern die in meinen Augen besondere Festlichkeit und Eleganz der Szene. Nachdem das Brautpaar vorbeigegangen ist, fällt der Blick wieder auf den daneben liegenden Spielplatz mit den Kindern oder auf die Treppenstufen mit dem trachtenmäßig gekleideten Personal.

Das Licht im Biergarten des Aumeister ist am schönsten spätnachmittags. Die untergehende Sonne taucht den Garten in ein warmes Licht. Biergläser und Maßkrüge können zu goldenen Schätzen werden – so wie für andere ein Haferl Kaffee und eine Auszogne. Da muss ich Ihnen eine Geschichte erzählen, die ich am Nachbartisch erblickt habe. Ein Mann bringt offensichtlich seine Mutter und die Ehefrau an den Tisch, wobei mir die Kleidung und Haltung der Damen einen besser verdienenden oder ererbten, aber vornehmen Eindruck vermittelten. Nachdem der Sohn Maß und Brezn geholt hat, geht seine Frau und bringt Kaffee und das besagte Schmalzgebäck. Als sie zurückkommt, stellt sie die Auszogne mit Schwung vor die Schwiegermutter und sagt im kräftigen Dialektton: „Da, hau`s eine!“ Leider kann man so eine kleine Gaudi nicht fotografieren. Das Gebäck habe ich aber fotografiert, damit auch die Nichtbayern verstehen was hier eine Auszogne ist. Jetzt bin ich aber vom Licht auf die Ausgezogenen gekommen.

Will man das Restaurant-Gebäude des Aumeisters in direktem Sonnenlicht fotografieren, dann muss man sich schon am Vormittag auf den Weg machen. Dafür bekommt man dann einen leuchtenden Anblick geschenkt, der den späten Nachmittag sozusagen in den Schatten stellt. Tagsüber kann man Licht und Schatten mit Blumen erleben, wenn man einen Sinn dafür hat und nicht gerade in eine Tageszeitung vertieft ist. Auch das gehört zu meinen Aumeisterblicken. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen den Biergarten oft in ein traumhaftes Licht. Jetzt kommt der Herbst, der mit volksmusikalischer Unterhaltung und einer weiten Blätterwüste dargestellt ist. Restaurantgebäude, Gastgarten und Biergarten ergeben zu jeder Tages- und Jahreszeit mit dem Geweih, dem Geranienschmuck und den Kübelpflanzen einen ländlichen und eleganten Anblick, der eine interessante Geschichte hat.

Nach der Anlage des Englischen Gartens im Jahre 1789 befand sich am Nordrand der Hirschau ein hölzernes Gartenwirtschaftsgebäude. Dorthin wurde der Sitz des Aujägermeisters aus dem Lehel verlegt. 1810/11 errichtete der Hofmaurermeister Joseph Deiglmayr ein neues Wirtschaftsgebäude. Aufgabe der Wald- und Aumeister war nicht nur das zahlreiche Wild in diesem Teil der Isarauen zu hegen, sondern auch die Teilnehmer an den Hofjagden in der Hirschau zu bewirten. So wurde der Aumeister bald auch von Ausflüglern besucht. Der Aujägermeister hatte die Bewirtschaftung nebenbei betrieben und wurde 1914 von einem Gastwirtschaftspächter abgelöst. 1959-61 erfolgte ein grundlegender Umbau zum heutigen, zweigeschossigen freistehenden Walmdachhaus in klassizistischer Manier. Ich blicke auf dieses blumenreiche Haus wie auf ein Schmuckstück, das von einem Hirschgeweih bewacht wird und an dem ganz einfach bürgerlich und münchnerisch Wirtshaus Aumeister über dem Eingang steht.

Jetzt wollen Sie sicher wissen, warum ich überhaupt gerne am Aumeister bin. In München gibt es doch so viele schöne Biergärten. Die ganze Welt geht doch lieber zum Chinesischen Turm, der vor meiner Haustür ist. Der Aumeister ist mein bevorzugtes Ziel, weil er ein Biergarten für die Münchner ist und mit 3000 Sitzplätzen am Nordrand des Englischen Gartens nie voll wird. Ich muss ein wenig radeln, um ihn zu erreichen. Das Personal ist sehr freundlich. Eine Abwechslung bei Speisen, Getränken, Kontakten und Gesprächen ist sinnvoll. Selbstbedienung und Supermarktmethoden im Biergarten halten sich in Grenzen. Es gibt sogar eine täglich wechselnde Speisekarte, und vieles wird frisch zubereitet. Wohlgemerkt, ich meine den Biergarten, nicht das Restaurant. Und überhaupt, weil es mir gefällt, sogar wenn ich dort einfach nur schaue oder blicke. Es ist fast derselbe Grund, warum ich Tivolifoto mache – zu meiner und zu Ihrer Unterhaltung und Freude.

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Gipfelglück – Blick auf eine Besteigung der Rosinante im Biergarten am Aumeister

13 Kommentare

    • Danke, mir würde schon der Frühling reichen, aber heute haben wir in München einen sonnigen und warmen Herbsttag. Fahrradfahren war für mich nur erschwert möglich, weil ich ständig zum Fotografieren anhalten musste.

    • Es freut mich, dass Dir die Bilder gefallen. Wunderbar war der letzte Donnerstag, an dem ich noch zwei Stunden am Aumeister sitzen konnte. Herzliche Grüße vom Tivoli, Josef

  1. Lieber Josef,

    der stille Beobachter mit einem ausgewogenen Blick für die Schönheit in seiner Umgebung… Sehr schön. Es macht Freude, diese Bildstrecke zu betrachten. Danke fürs Erstellen.

    Nach dem Brautpaar fiel mein Blick zwar auf die Bedienung im Dirndl, direkt drauf aber auf den eigentümlich bepflanzten Topf im Vordergrund, ein Eyecatcher :).

    Die Strahlen auf dem 3. Foto gefallen mir sehr gut, aber auch sonst ist das Licht auf den Fotos sehr schön.

    Du hast viele interessante Momente eingefangen, Stillleben teils. Der Mann mit dem längeren Haar und der Brille, an verschiedenen Tagen, weil mit anderer Kleidung und anderer Brille, das ist wirklich mit Liebe zum Detail gemacht.

    Die Musiker hätte ich gerne auch gehört, vor allem die Harfe, aber es geht eben nicht alles.

    Die Geschichte des Aumeister kannte ich noch nicht. Und ich muss gestehen, dass ich auch nicht sehr oft dort war, weil es mir meistens zu weit war. Aber die Stimmung ist schon eine andere als am Chinesischen Turm, wo doch sehr viele Touristen unterwegs sind.

    Über etwas bin ich noch gestolpert… Du sprichst von einer Auszogner in der weiblichen Form. I kenn bloß an Auszogna oder in der Bäckerei: I hätt gern an Auszogna, das wär dann der Auszogne. Die Auszogne oder der Auszogne, das ist hier die Frage :).

    Liebe Grüße
    Marion

  2. Hallo Josef, wieder ein sehr gelungener Beitrag. Einige der Personen, die du rein zufällig abgebildest hast kenne ich, sie kommen zum Teil ja auch aus unserer Gegend. Ist das Herbstlaub auf den Bänken nicht wunderschön? Du hast die Farben gut eingefangen. Ich finde, der Auszogene halb angebissen lädt ein, sich selbst gleich einen zu kaufen. Wunderbar, wie immer.

    • Ja, frisch Auszogne vom Aumeister sind immer sehr anziehend. Gestern wurden die Bänke und Tische zusammengelegt und für den Winter abgedeckt. Für Samstag ist der erste Schnee angekündigt. Vielleicht besuche ich in der kalten Jahreszeit die bei schönem Wetter geöffnete Aumeister-Alm oder das Restaurant. Herzlichen Dank für Deinen freundlichen Kommentar und Grüße vom Tivoli

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