Münchner Kuriosa

Beim ersten Blick auf das Titelbild sieht man im Vordergrund eine Uhr, die kurz vor zwölf Uhr mittags zeigt, und im Hintergrund eine Uhr mit kurz nach zwölf. Die Ansicht wurde vom Turm der Pfarrkirche Sankt Peter auf die Heilig-Geist-Kirche und den mittleren Turm des Isartors fotografiert. Ein flüchtiger Betrachter kann denken, dass eine der beiden Uhren nicht genau ist. Er wird sich über die Verbindung von Titel und Titelbild wundern.

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Jemand könnte aber auch einen Zusammenhang mit dem Valentin-Karlstadt-Musäum im Münchner Isartor und den dortigen Ausstellungsstücken vermuten, z. B. mit dem pelzbesetzten Winterzahnstocher, dem Nagel, an den Valentin seinen Schreinerberuf hängte, der geschmolzenen Eisskulptur oder dem zugemauerten Aussichtsfenster. Diese Kuriosa wurden oft beschrieben und fotografiert. Die Kuriosität des Titelbildes hat tatsächlich eine Verbindung dazu.

Petra Perle, die Wirtin des Turmstüberls stiftete im Jahr 2005 die große Turmuhr für die Talseite des Isartors. Nach dem Spruch, dass in Bayern die Uhren anders gehen, hat diese Uhr spiegelverkehrt angebrachte Ziffern und rückwärts laufende Zeiger. Zum Ablesen der Uhrzeit muss man Umdenken. Liegen die Zeiger so nahe beieinander wie auf dem Titelbild, dann kann man die Kuriosität leicht übersehen.

Ein zweites Münchner Kuriosum ergibt sich nicht mit dem Blick von der Peterskirche, sondern mit der Ansicht auf den Alten Peter in Verbindung mit einer Frage. Steht man am Marienplatz, auf dem Rindermarkt oder dem Viktualienmarkt und stellt die Frage, warum der Alte Peter auf jeder Seite zwei Uhren hat, kann man Verwunderung, Unverständnis oder Neugier erzeugen.

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Eine Begründung bezieht sich auf einen Blitzeinschlag, der die ehemals zwei gotischen Türme zerstörte. Beim Neubau eines Turms entschied man sich möglicherweise für eine Lösung, bei der zusätzliche neue Uhren der Verschönerung dienen sollten oder schon vormontiert waren. Ein weiterer Grund könnte damals gewesen sein, dass man wegen der wachsenden Höhe der Nachbarhäuser die unteren Uhren nicht mehr sehen konnte.

Karl Valentin wird als Antwort nachgesagt, dass zwei oder gleich acht Leute gleichzeitig auf die Uhr schauen können. Mir gefällt die sehr gut vorstellbare Begründung, wonach ein großer und ein kleiner Münchner gleichzeitig auf die Uhr schauen können, wobei es am besten wäre, wenn sie sich hintereinander aufstellen, der kleinere aber vorne.

Kurioser wird diese Vorstellung, wenn man bedenkt, dass große und kleine Münchner seit langem eine Armbanduhr tragen. Die kuriosesten Verhaltensweisen zeigen aber Münchner, die beim Anblick dieser Uhren auf ihr Handy schauen und mit der Genauigkeit des Uhrenvergleichs zufrieden sind. Sofort fühlen sie sich veranlasst eine Person anzurufen, um den eigenen Standort mitzuteilen und zu versichern, dass es bei dem ausgemachten Zeitpunkt für das vorher vereinbarte Treffen bleibt.

Kuriosa lassen sich also steigern. Der Begriff leitet sich aus dem lateinischen Wort curiositas für Neugier ab. Ein Kuriosum erzeugt Neugier, Verwunderung oder Verblüffung. Etwas ist ungewohnt, überraschend oder komisch. Die Wahrnehmung von Personen, Tieren Gegenständen, Situationen oder Zuständen entspricht nicht dem üblichen Denken oder Verhalten.

Für diesen Beitrag stellt sich die Frage, ob man Münchner Kuriosa in größerem Umfang fotografieren kann. Dies ist sicher nicht möglich, wenn man einen Zusammenhang mit Münchner Sehenswürdigkeiten beabsichtigt, bei denen man das Kuriose auf einem Bild erkennt. Stellt man jedoch zwei Bilder nebeneinander oder montiert sie zusammen, dann lassen sich viele Kuriosa erzeugen. Vergleichbares gilt für ungewöhnliche fotografische Blickwinkel. Einfacher wird es, wenn Text auf ein Kuriosum hinweist. Die besten Möglichkeiten bieten kuriose Aussagen zu einem Bild oder umgekehrt. Hierbei ist aber zu bedenken, dass Kuriosa sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Es ergeben sich wie beim Humor Grenzen zu Übertreibungen, Peinlichkeiten und Schadenfreude.

Kuriose Situationen können überall entstehen. Fotografieren kann man sie bevorzugt auf Plätzen, in Gaststätten und in Biergärten. Für München heißt das in besonderer Weise Viktualienmarkt, Hofbräuhaus und Chinesischer Turm. Kuriositäten bei Personen sind oft durch Kleidung und Verhalten möglich. Besondere Anlässe für spontane Kuriosa bieten Kinder, Hunde, Touristen und Preißn.

Bei den hier dargestellten Münchner Kuriosa fehlen etliche bekannte und wichtige Münchner Schmunzelgeschichten. Der Leser dieser Zeilen kann sie im Internet mit einem Kommentar hinzufügen oder mir eine Nachricht zukommen lassen. Weitere Münchner Kuriosa findet man in Wikipedia bei den Abschnitten Kuriosa in Artikeln mit Münchner Inhalten.


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Wenn ich mit Begleitung vor der Feldherrnhalle stehe, stelle ich die Frage, welcher der bayerische und welcher der preußische Löwe ist. Meist wird sehr schnell gelacht und geraten, dass der mit dem offenen Maul der preußische ist. Sogar bei Wikipedia erfährt man, dass dies „eine humorige Anspielung auf die angebliche Gesprächigkeit der Norddeutschen“ ist. Dann informiere ich, dass die Löwen von dem Bildhauer und Professor Wilhelm von Rümann geschaffen und in seinem Todesjahr 1906 aufgestellt wurden. Aber jetzt kommt das eigentliche Kuriosum: Was macht es für einen Sinn, dass auf der linken Seite ein Löwe mit offenem und auf der rechten Seite ein Löwe mit geschlossenem Maul dargestellt ist. Die Stadtanlage bietet eine Antwort. Auf der linken Seite ist das Graggenauviertel mit der Königlichen Residenz, also der Staat. Da muss man das Maul aufreißen. Auf der rechten Seite ist das Kreuzviertel mit dem Liebfrauendom und dem Erzbischöflichen Ordinariat, also die Kirche. Da muss man den Mund halten, was leider viel zu oft gemacht wurde.

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Maximilian I. am Max-Joseph-Platz: „Mir ist es nicht recht, dass ich lebenslänglich sitzen muss.“
Ludwig I. am Odeonsplatz: „Ich ärgere mich, dass ich reiten muss, obwohl alle Welt weiß, dass ich kein guter Reiter bin.“

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Maximilian II.: „Ich mag nicht immer stehen und von manchen Münchnern Max-Denk-Zweimal genannt werden.“
Ludwig II. auf der Corneliusbrücke: „Es ist skandalös, dass ich nur eine Kopie bin und mein Körper eingeschmolzen wurde.“

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Diese fotografische Einheit von Kirche, Stadt und Volk ist keine Fotomontage. Alter Peter, Rathausturm mit Münchner Kindl an der Spitze und Maibaumszenen auf dem Viktualienmarkt lassen sich in dieser Form hinter der Münchner Suppenküche auf dem Markt fotografieren.
Die Mariensäule befindet sich natürlich nicht zwischen den Türmen der Frauenkirche, aber es gibt auf dem Marienplatz einen Standpunkt, von dem diese Ansicht möglich ist. Wenn Touristen zwei Meter daneben fotografieren, möchte man am liebsten ein Schild aufstellen.

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Der Haupteingang des Hofbräuhauses am Platzl befindet sich nicht hinter einem Ziergartenteich, wie hier beim Umzug am alljährlichen Münchner Gärtnertag. Richtig ist aber, dass sehr viele Menschen dort anzutreffen sind, die mit den Störchen den Drang nach Süden gemeinsam haben – sogenannte Preißn.

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Eine eilige Reisegruppe aus Asien musste den Tisch in der Schwemme des Hofbräuhauses während einer Schweinshaxn-Mahlzeit plötzlich verlassen, um nach diesem Erlebnis der Gemütlichkeit im berühmtesten Wirtshaus der Welt noch schnell die bayerischen Königsschlösser besuchen zu können.

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Den Blick himmelwärts gerichtet erkennt diese Dame den Engel Aloisius nach dem Hosianna-Singen auf dem Weg zum Hofbräuhaus. Er wird bereits freudig erwartet.

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Weil das Bier jeweils von derselben Brauerei stammt, kann die Müdigkeit nur durch die Länge der Haare und die Unterschiede im Geschlecht bedingt sein.

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Wie verkauft man einen Maibaum? Wer kauft so etwas und wie wird das gekaufte Gut transportiert? Das muss sich doch um einen Fuhrunternehmer oder einen Sägewerksbesitzer handeln. Auf dem Viktualienmarkt wurden im Jahr 2001 aber nicht der ganze Baum, sondern einzelne Scheiben nach Gewicht verkauft.

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Waffe eines Münchners im Himmel am Viktualienmarkt zum Anfertigen von Botschaften an die Staatsregierung
Waffen einer Münchnerin am Dreifaltigkeitsplatz gegen unerwünschten Taubenbesuch

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Wo gibt es im Großraum München den besten Schwammerlplatz? Natürlich auf dem Viktualienmarkt. Wo kann man am besten so genannte echte Münchner fotografieren? Auch auf dem Markt, aber bei diesem seltenen vom Aussterben bedrohten Exemplar nur, wenn man ihm Geld für das Abnehmen der Maske gibt.

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Die Türme der Ludwigskirche aus der Steinwüste Ludwigsstraße mit dem Grün des Englischen Gartens waren das Fotomotiv. Da fährt diese Kutsche durch das Bild. Weil sich insgesamt eine schöne Ansicht ergab, wurde kein Schadenersatz beansprucht. Deutlich sah man aber das schadenfreudige Grinsen des Rosses.
Diese Dschungelszene stammt tatsächlich vom Kleinhesseloher See. Ich konnte sie in einer vergleichbaren Form auch ohne Schwan nicht wieder fotografieren. Zufrieden stelle ich fest, dass ich sehr viel Aufwand und Strapazen für eine Abenteuer-Reise gespart habe.

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Wie ist der Kleinhesseloher See, wenn das Wasser abgelassen wird? Er ist natürlich trocken. Was passiert mit ihm, wenn es regnet? Er wird natürlich nass. Karl Valentin hat die Nässe bei Regen dem Starnberger See zugeschrieben, aber hier bei Münchner Kuriosa passt sie auch.
Was macht die Blaskapelle, wenn sie von einer jugendlichen Übermacht aus Übersee niedergeblasen wird? Sie macht selbstverständlich eine Pause. Die Aufnahme entstand bei der Calgarystampede im Biergarten am Chinesischen Turm im Jahr 2006.

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Die Prinzregentenstraße führt nicht direkt hinter der Luitpoldbrücke in den Tunnel unter dem Prinz-Carl-Palais. Die Entfernung beträgt fast 900 Meter. Die Anzahl der Straßenlaternen ist der Beweis.

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Der Friedensengel steigt weder aus dem Wasser noch aus einem Gebüsch empor, aber die Säule versteckt sich hinter der Fontäne des Brunnens oder den umliegenden Bäumen.

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Dieses Fußballfeld am Olympiaberg wurde nie bespielt. Es handelt sich um ein vorsätzliches und geplantes Münchner Kuriosum anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006.
Die Kunstinstallation am Fröttmaninger Berg erinnert an das „versunkene Dorf“. Es ist dort immer wieder möglich, Personen zu beobachten, die einen Eingang finden wollen und lautstark ihre Verwunderung über das Fehlen äußern.

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Auf dem zentralen Platz vor dem Münchner Verkehrsmuseum befindet sich diese 4,50 Meter hohe Schnecke. Sie weist auf den Geschwindigkeitstraum und die Mobilitätssehnsucht der Ausstellungsstücke im Verkehrszentrum hin.
Der Aufbau zur Wiesn bietet jedes Jahr eine Fülle von kuriosen Ansichten. Dieses Riesenrad gleicht in seinem Anfangsstadium einer sehr großen Schaukel. Kurios ist auch, dass das Oktoberfest überwiegend im September stattfindet.

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Wann kommt denn jetzt endlich der Trachten- und Schützenzug, damit wir unser schönes Trachtengwand auf der Wiesn herzeigen können, bevor uns Petra Perle als Polizistin verhaftet?

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Was wohl die vier Heiligen drei Könige zu diesem Auftritt beim Union Move sagen?
Mit Sicherheit sind wir für eine Techno-Parade richtig angezogen!

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Hoffentlich bleiben wir nicht wieder so lange am Aumeister sitzen.
Nach dem schönen Ausgang im Englischen Garten mag ich nicht gleich wieder heim.

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Für mein Frauchen trage ich alles, weil sie nur das Beste kauft.
Willst du dich nicht zu mir legen, das Pflaster ist doch so schön warm.

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Schwan mit Seemannsknoten und lustiges Partnertauchen auf dem Kleinhesseloher See
Männliche Mandarinente beim Rückwärtsschwimmen

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Single, Ehepaar und Großfamilie im Tierpark Hellabrunn

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Für eilige Touristen und Fotografen ergab sich dieser besondere Service beim Abriss der Gebäude am Löwenturm im Jahr 2000.

10 Kommentare

  1. Liebe Gäste, die richtige, aber leider nicht kuriose Antwort auf die Frage, warum der Alte Peter auf jeder Seite zwei Uhren hat, ist die Tatsache, dass es früher nur Uhren mit Stundenzeigern gab. „Die ersten, meist als Turmuhren verwendeten Räderuhren waren wegen ihrer geringen Laufgenauigkeit nur mit dem Stundenzeiger ausgerüstet“ (Wikipedia). 1378 entstand die erste Uhr, 1409 die zweite, danach eine dritte und 1497 die vierte. 1621 wurde an jeder Turmseite ein zweites Zifferblatt für die Anzeige der Viertelstunden angebracht. 1721 wurde auf Uhrwerke mit Stunden- und Minutenzeigern umgestellt. (Quelle: Presseberichte mit dem Verweis auf Rechnungen für Handwerker im Stadtarchiv)

    • Bitte, das freut mich. Ich wünsche viel Erfolg und erwarte umgehend viele kuriose Entdeckungen von Petra, die ich dann sofort mitgeteilt bekomme, weil ich Culinaria & Bavaria im WordPress.com-Reader abonniert habe. Mit Deinem Artikel zum Alten Peter hast Du ja schon sehr schönen Anfang gemacht. Deine Fotos vom Heiligen Petrus und der Heiligen Munditia gefallen mir sehr gut. Herzliche Grüße vom Tivoli, Josef

  2. Eine wunderbare Auswahl an Kuriositäten hast du da zusammengetragen. Dazu könnte ich noch einiges beitragen, so soll z.B. Max I. Joseph den Entwurf zu seinem Denkmal entrüstet abgelehnt haben, da es ihn wie auf der „Retirade“ (= die französische Bezeichnung für den „Leibstuhl“) sitzend zeigt.

    Allerdings hat sich bei deinen Fotos ein kleiner Fehler eingeschlichen. Die „Vier Heiligen Drei Könige“ sind doch die Gelehrten vor der Staatsbibliothek – sicher hast du die Herren auch schon mal abgelichtet.

    Herzliche Grüße
    Renate

    • Liebe Renate, herzlichen Dank für das Lob, den Leibstuhl und den Schleicher. Hiermit erkläre ich diesen kleinen Fehler zum weiteren Münchner Kuriosum. Natürlich handelt es sich um die Vier Evangelisten mit Christus an der Ludwigskirche. Herzliche Grüße Josef

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